Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Hochzeitsfeier, meine Liebe?«
»Es tut mir sehr leid, aber so kurz nach dem Tod meines Mannes darf ich mich nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Alix kann es sich aber vielleicht leisten!«
»Habt Ihr von ihr gehört?«
»Soweit ich weiß, ist sie in Lyon, wo sie einen befreundeten Domherrn treffen wollte. Die arme Kleine! Ich glaube, obwohl sie so viel Mut und Kampfgeist besitzt, geht es ihr noch schlechter als mir. Alessandro hat ihr sehr viel bedeutet. Wisst Ihr, dass sie eine Tochter hat?«
»Ja, ich weiß, eine Tochter von Sire Van de Veere. Das Kind wird sie trösten. Ich will ihr gleich schreiben und sie zur Hochzeit einladen. Wenn sie auch wahrscheinlich nicht schon zum Festmahl hier sein kann, dann doch vielleicht wenigstens zum Lanzenkampf.«
Noch am selben Abend setzte sich Louise an ihren Schreibtisch und nahm die Feder zur Hand:
Meine liebe Alix,
angesichts Eurer Trauer schäme ich mich geradezu über mein Glück. Nachdem auch der neue Dauphin nicht überlebt habt, kommt François dem Thron wieder ein Stück näher. Aber wenn ich heute besonders glücklich bin, dann, weil Marguerite die Ehe mit Duc d’Alençon gut aufzunehmen scheint.
Morgen wird die festliche Prozession durch die Straßen von Blois ziehen. Für die großen Feierlichkeiten hat sich die ganze Stadt herausgeputzt, die Ufer der Loire wurden gesäubert und das Schloss auf Hochglanz gebracht. Alles wurde gewaschen und geschrubbt und bis in den letzten Winkel geputzt. Die Kette der Zugbrücke hat man geschmiert, lose Pflastersteine wieder eingesetzt, Türen und Wände abgebürstet, gewaschen und weiß gestrichen und fehlende Dachziegel auf den Türmchen ersetzt. Alles ist bereit, um meine Tochter würdig zu empfangen! Ach, Alix, wie schön es wäre, wenn Ihr dabei sein könntet! Ich fürchte nur, Euer großer Kummer wird Euch davon abhalten. Ihr müsst
jetzt aber vor allem an Eure kleine Tochter denken und die schlechten Geschehnisse vergessen. Kommt doch einfach zu mir. Trompeten und Hörner würden Euch in Blois begrüßen, und Ihr würdet das ganze Dorf auf den Beinen sehen – Bauern, Händler, Frauen und Kinder, wie sie dichtgedrängt vor ihren Haustüren stehen.
Ich zähle auf Euch, Alix. Das Leben ist nun einmal ein ständiges Auf und Ab. Kommt und bewundert die Standarten und Fahnen, die jetzt bereits im Wind flattern.
Es ist schon fast ein Jahr her, dass Ihr Tours verlassen habt. Der Winter ist wieder eingekehrt, und ein neuer Frühling steht vor der Tür. Vergesst diesen Winter, Alix, und denkt nur noch an die neue Jahreszeit, wenn Euch Eure Tochter mit großen Augen ansieht und sich auf Euer Lächeln freut.
Falls Ihr nicht rechtzeitig zum Festzug kommen könnt oder sogar die ersten Feierlichkeiten verpassen solltet, seht Euch wenigstens das Lanzenstechen an. François hat in diesem Jahr viel dazugelernt, und er beherrscht diese Disziplin schon meisterhaft.
Ich habe Sehnsucht nach Euch, Alix, lasst mich nicht länger warten. Für den Fall, dass Ihr noch in Lyon seid, wie es unsere Freundin Catherine Bohier vermutet, die mich eben wieder verlassen hat, erreicht Euch dieser Brief in Tours.
Es grüßt Euch ganz herzlich
Eure Louise
Marguerite hatte in den vergangenen Nächten so viel gegrübelt, dass sie nicht mehr recht wusste, wo ihr der Kopf stand. Sie entschied sich dann aber dafür, sich wenigstens ungezwungen zu geben, wenn sie es auch nicht wirklich war.
Hellebardiere und Arquebusiere bildeten das Ehrenspalier. Offiziere, Infanteristen und Knappen saßen stolz auf ihren tadellos
angeschirrten Pferden und waren genauso festlich gewandet wie ihre Reittiere.
Mit strenger Miene führte der Schöffe von Blois den Festzug an. Sein schwarzes Samtwams passte zum Geschirr seines braunen Pferdes, auf dem er eine äußerst herablassende Haltung zur Schau stellte, die ihm einige unterwürfige Blicke einbrachte.
Ludwig ritt zwischen seinem Mundschenk und seinem Jagdmeister und führte die gesamte Kavallerie an, lächelte seinem braven Volk zu und nickte gönnerhaft, wenn ihm von allen Seiten zugejubelt wurde.
Selbstverständlich war der König an diesem strahlenden Dezembermorgen bester Laune. Sein Mundschenk hatte die schönsten Feste des ganzen Jahres vorbereitet und sein Jagdmeister eine ganze Reihe von spannenden Winterjagden versprochen. Angesichts dieser erfreulichen Aussichten konnte der König ja nur ein zufriedenes Gesicht machen.
Die junge Braut, die nun bald Herzogin von Alençon werden sollte, strahlte den
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