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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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sollte.
    »Die Ärmel bekommen noch lange Schleppen«, sagte er und trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu bewundern.
    Auf einer Bank hinten im Zimmer saßen Schuhmacher und Hutmacher und warteten auf ihren Einsatz, während nun die Spitzenklöpplerinnen berieten, welcher Besatz am schönsten für das Hemdchen war, das sie unter dem Kleid trug.
    Ohne anzuklopfen, kam François ins Ankleidezimmer gestürmt und sprudelte heraus, was seine Mutter sich gerade zu sagen anschickte.
    »Lieber Himmel! Welch Anmut!«, rief er begeistert und ging auf sie zu. »Mein hübsches Schwesterchen, du bist wirklich die Allerschönste!«
    René, der Page von Louise, und Charles de Bourbon waren François unauffällig gefolgt.
    François schien es nicht im Geringsten zu stören, seine Schwester so leicht bekleidet zu sehen, aber auch Marguerite machte das offensichtlich gar nichts aus. Gerüchten zufolge leistete ihr der junge Mann sogar häufig Gesellschaft, wenn sie ein Bad in ihrem großen geheizten Bronzebottich nahm.
    Guter Laune nahm er sie in die Arme. Gott, wie stark er war, dachte Marguerite, und ihr wurde ein wenig schwindelig.
    »Die Hofdamen werden vor Neid erblassen!«, tönte er.
    »Etwa auch die leidenschaftliche Françoise de Foix?«, fragte Marguerite und erwiderte seine stürmischen Küsse.
    »Ich kann mich kaum an sie erinnern, wenn du vor mir stehst, schöne große Schwester!«
    François hielt Marguerite noch immer in den Armen und berauschte sich an ihrem Parfum. Ihre zarte Haut verströmte betörende Düfte, deren Wirkung ihm nicht unbekannt war.
    Als Marguerite ihren Kopf an seine Schultern lehnte, streichelte er ihre schlanke Taille, und Louise musste bei dem Gedanken an
die zärtlichen Raufereien mit ihren Kindern auf dem alten Schloss Cognac lächeln.
    Betört von Marguerites halbnacktem Körper ließ François seine Hände über ihre schmalen Hüften gleiten, doch auch daran nahm seine Mutter keinen Anstoß.
    Schneider und Spitzenklöpplerinnen hatten sich diskret zurückgezogen, damit die Geschwister ihre zärtliche Begrüßung ungestört genießen konnten.
    Louise trat zu Charles de Bourbon, der mit René etwas abseits stand. Der Page beobachtete die Szene mit großen Augen, weil er so etwas noch nicht erlebt hatte.
    »Nehmt Charles das Schwert ab, René«, befahl ihm Louise, und an ihre Tochter gewandt fuhr sie fort: »Nicht einmal Françoise de Foix kann dich an Schönheit übertreffen, mein Kind.«
    »Ich werde für die gesamte Dauer der Hochzeitsfeiern in deiner Nähe bleiben. Darauf bekommst du mein Ehrenwort, Schwesterchen«, beteuerte François.
    »Was wird denn dann aus Claude?«, fragte Marguerite lachend.
    Mit einem Schlag war François’ gute Laune wie weggewischt, und er setzte eine betrübte Miene auf.
    »Claude ist keine Freundin vom Feiern.«
    »Gewiss, sie hält nicht viel von Festen«, erwiderte Louise und gab Charles zur Begrüßung die Hand. »Ich glaube sogar, sie sind ihr ein Graus. Aber dir ist sie sehr zugeneigt, François. Das darfst du nicht vergessen.«
    »Keine Angst, Mutter, das vergesse ich nicht. Claude wird keinen Grund haben, sich über mich zu beklagen.«
    François gab seiner Schwester einen kleinen Kuss auf den Mund und wandte sich dann an Bourbon.
    »Was meint Ihr, lieber Herzog? Die Leute werden ihr zujubeln.«
    Dass Charles de Bourbon ihre Tochter halbnackt sah, schockierte Louise, die ihre Kinder nie zu übertriebener Schamhaftigkeit erzogen hatte, auch nicht. Ihr war es immer darum gegangen, ihnen Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl beizubringen. Deshalb war es nur zu verständlich, dass sie ihre Unbefangenheit an sie weitergegeben hatte. Wie hätte sie dann ihre Kinder wegen ihres ungezwungenen Verhaltens kritisieren sollen?
    Ihr Blick wanderte über Charles’ Gestalt, ehe ihre grünen Augen seinem selbstbewussten Blick begegneten, mit dem er sie zu verführen suchte.
    Marguerite schenkte ihrer Mutter ein Lächeln, dann entließ sie kurz entschlossen den Schneider und die Putzmacherinnen.
    »Für heute ist es genug«, erklärte sie ohne Umschweife.
    »Dann lasse ich dir jetzt Madame de Chatillon kommen«, sagte Louise und küsste ihre Tochter liebevoll auf die Stirn.
    »Genießt es, zusammen zu sein, Kinder. Diese schöne Zeit wird allzu schnell vorüber sein.«
    »Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich mich für alle Zeiten auf Château d’Alençon einsperren will, Mutter?«, protestierte Marguerite.
    Louise, die schon hatte gehen wollen, drehte sich

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