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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Pferd zu nehmen.«
    »Ich werde bestimmt das richtige Pferd finden, Sire. Ich kann eigentlich alle Pferde aus dem Stall von Amboise reiten.«
    François ritt jetzt neben dem König, und Ludwigs Schildknappe machte ihnen den Weg frei.
    Nachdem sie das befestigte Stadttor und die dreifache Festungsmauer passiert hatten, wurde es so eng, dass die beiden Pferde nicht mehr nebeneinandergehen konnten. Als wollte er seinem jungen Freund beweisen, dass er die Reitkunst ebenfalls beherrschte, ließ Ludwig sein Pferd kurz ausschlagen, zog an François vorbei und forderte ihn auf, ihm zu folgen.
    Hintereinander ritten sie unter dem Jubel der Bewohner von Loches durch die engen, steilen Gassen zum Schloss hinauf.
    »Unser guter König, er lebe hoch!«, riefen die Leute und drängten sich vor ihren Häusern.
    Breitbeinig und die Hände in die Hüften gestemmt standen die Händler vor ihren Läden und stimmten mit den Handwerkern in ihren Leinen- oder Lederschürzen in das Vivat ein. Die Kinder, die eben noch in den Gassen gespielt hatten, drückten sich an die Hauswände und starrten fasziniert den König an, über den so viel geredet wurde.
    Ludwig lächelte ihnen huldvoll zu, und François saß sehr aufrecht auf Pegasus, während der Schildknappe, der ihnen vorausritt, ein wenig zerstreut in die Menge blickte.
    Es fehlte nicht viel, und Louis XII. hätte die Augen geschlossen  – so gut kannte er den Weg. Einen Moment lang schien er den Jubel der Menge nicht mehr zu hören, und seine Gedanken schweiften ab. Wollte er nicht seinem jungen Freund die Gefängnisse von Loches zeigen, während er selbst als junger Mann wegen Gehorsamsverweigerung häufiger Gast in den Kerkern Ludwigs XI. gewesen war?
    »Vivat! Unser guter König Ludwig, er lebe hoch!«
    Schließlich drangen die Vivats wieder bis zu ihm durch, und er sammelte sich. Ruhig näherte er sich dem mittelalterlichen Teil der Burg mit ihren zinnenbewehrten Türmen, die sich ihrer Bedeutung bewusst stolz in den Himmel ragten.
    Nachdem die Reiter langsam an den Türmen vorbeigetrabt waren, ritten sie an der Kollegialkirche entlang, deren zwei Glockentürme mit Steinen gedeckt waren, und kamen zu dem Renaissanceflügel, den Ludwig auf Wunsch von Anne de Bretagne eben erst hatte erbauen lassen.
    Im Schlosshof wurden sie von einem gewaltigen Stimmengewirr empfangen.
    Bogenschützen und Armbrustschützen präsentierten ihre Waffen.
Knechte und Dienstmägde liefen aufgeregt durcheinander und unterhielten sich mit fremden Leuten, lautstark unterstützt von einer Kinderschar, die mit großen Stapeln von Weidenruten spielte.
    »Was hat dieses Spektakel zu bedeuten?«, fragte der König seinen Schildknappen.
    »Ich nehme an, es sind Korbflechter, Sire.«
    François stieg von seinem Pferd und ging auf ein großes, schlankes Dienstmädchen zu, das eine saubere Leinenschürze trug und geschwind einen Knicks vor ihm machte, wobei sie ihn mit ihren dunkelblauen Augen frech musterte.
    »Ach, du bist’s, Toinette. Kannst du mir vielleicht erklären, was das ganze Durcheinander hier soll?«, fragte der König streng.
    »Das sind die hiesigen Korbmacher, Sire.«
    »Das sehe ich. Aber was haben sie hier verloren?«
    Toinette wandte sich zum König und sah ihn genauso herausfordernd an wie François.
    »Es hat eine schreckliche Katastrophe gegeben, Sire«, sagte sie und hob verzweifelt die Arme in den Himmel. »Die Werkstätten und die Speicher, in denen alle Weidenvorräte vom vergangenen Jahr lagerten, sind letzte Woche abgebrannt. Gott sei Dank hat man die trockensten Weidenruten gerettet. Trotzdem ist der Verlust groß, Sire. Alle grünen Ruten, die noch nicht gespalten und geschält waren, hat der Brand verschlungen.«
    »Wer hat diesen Leuten erlaubt, hierherzukommen? Können sie nicht woandershin?«
    Ein großer Kerl mit einem mächtigen Vollbart, hinter dem nur seine kleinen schwarzen Augen zu sehen waren, ging auf den König zu.
    »Hoher Herr, versteht uns bitte. Wir haben nur noch die Schuppen vom Schloss, wenn wir unsre Weiden trocknen wollen. Wenn
Ihr uns kein Asyl gewährt, wie wollt Ihr dann Euren Wein ernten? Ohne unsre Körbe?«
    Ludwig legte dem großen, kräftigen Mann freundschaftlich eine Hand auf die Schulter.
    »Einverstanden, mein Guter. Bleibt hier und geht Eurer Arbeit nach, bis Ihr Eure Speicher wieder aufgebaut habt. Aber dann müsst Ihr zurück nach Hause.«
    »Ergebensten Dank, Sire«, sagte der Mann und ging zu seinen Gefährten zurück, die mit geschickten

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