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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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meinte:
    »Ach was, auf mich alten Kerl hat es dieses Frauenzimmer bestimmt nicht abgesehen.«
    Er beobachtete Toinette, wie sie einen Zinnkrug von der Wand nahm und ihn sich verwegen in die Hüften stemmte. Beim Anblick der prallen Rundungen ihres Hinterteils, die sich unter ihrem Rock abzeichneten, wurde der König ganz melancholisch und seufzte:
    »Ach, François, wo ist nur meine Jugend hin?«
    »So alt seid Ihr doch noch nicht, Sire!«, protestierte der junge Mann.
    »Mag sein, dass Ihr recht habt, aber meine Jugend ist dahin. Eines Tages wird Euch dieses Schloss gehören. Wartet nicht zu lange ab, verbringt lieber einen Teil Eurer Jugend hier. Es ist kein weiter Weg von Blois nach Loches, und Ihr könnt jederzeit wiederkommen.«
    Der junge Mann errötete, ließ aber dennoch nicht die Dienerin aus den Augen, die aufreizend den Zinnkrug balancierte, den sie jetzt im Arm hielt.
    »Dieses Schloss birgt viele Überraschungen«, fuhr der König fort und sah Toinette nach, bis sie durch eine Tür verschwand. »Es ist ganz anders als andere Schlösser.«
    »Mich beeindruckt vor allem, dass so viele bedeutende Männer hier gewesen sind, Sire.«
    »Und Frauen!«
    Unwillkürlich blickte François zu der Tür, durch die Toinette verschwunden war.
    »Nein, die meine ich nicht!«, lachte der König und klopfte sich vergnügt auf die Schenkel. »Ich spreche von der heiligen Jeanne d’Arc und der Hure Agnès Sorel.«
    »Der Hure!«
    »Nun ja, mein Junge, Ihr dürft nicht alles wiederholen, was ich sage. Ich meine die schöne Agnès, die Dame de Beauté. Alles hier erinnert an sie, jeder Raum duftet noch nach ihr. Könnt Ihr es nicht riechen?«
    »Oh doch! Es muss ein seltsames Parfum gewesen sein.«
    Sie schritten im gleichen Tempo nebeneinanderher und kümmerten sich nicht um die Wachen und Hellebardiere und das Echo ihrer Schritte, das durch die langen Gänge hallte.
    »Stimmt es, dass die sterblichen Überreste der schönen Agnès aus dem Schloss geschafft wurden?«, fragte François.
    »Richtig, mein Junge. Die Nachkommenschaft des Königs hielt sie für unkeusch.«
    »Gehen wir zum runden Turm. Es wird Zeit, die übrigen Kerker zu besichtigen«, sagte der König und beschleunigte seinen Schritt.
    In den unterirdischen Geschossen war es kalt und feucht.
    Louis schlug den Mantelkragen hoch und vergrub sein Kinn darin. Nachdem sie einige Minuten schweigend hinter den beiden Hellebardieren, dem Hauptmann der Wachen und dem Kerkermeister hergelaufen waren, der sie mit brennenden Fackeln durch das Labyrinth führte, stießen sie auf einen weiteren Gang.
    Dieser lange, modrige Gang endete an einer Steinmauer, vor der ein Käfig etwa eine Hand breit über dem Boden in der Luft hing.
    François war sprachlos. Der Käfig war ziemlich klein, und seine Seitenwände bestanden aus eisenverstärkten Holzgittern.
    François ging etwas näher zu dem Käfig und schaute neugierig hinein. Der Kerkermeister leuchtete ihm mit der Fackel, und François sah auf der einen Seite ein Türchen, durch das man dem Gefangenen etwas zu essen geben konnte. Auf der anderen Seite war eine runde Eisentür mit einer Öffnung, die gerade groß genug war, um eine Schüssel für die Notdurft durchzureichen.
    Louis hatte seinen Spaß an dem Erstaunen des jungen Mannes, vor allem weil seine Überraschung nicht gespielt war.
    »Mir scheint, der Käfig ist in sehr gutem Zustand!«, meinte er und fuhr mit den Fingern über die vergitterte Eisentür.
    »Er ist auch noch nicht besonders alt«, feixte der Kerkermeister. »Man könnte ihn ohne Weiteres wieder verwenden. Das Eisen ist nicht verrostet, und der Moder hier unten konnte dem Holz bisher auch nichts anhaben.«
    Er kniff seine Schweinsäugelchen zusammen und sagte kichernd:
    »Ich pass schon auf, dass er nicht auseinanderfällt.«
    »Sehr gut. Weiter so«, sagte Louis kühl, weil ihm bei der Gelegenheit eingefallen war, wie ihm die Kerkermeister das Leben schwergemacht hatten, als er selbst gefangen war.
    Schließlich trat François einen Schritt von dem Monstrum zurück.
    »Hing der Käfig immer in der Luft?«, wollte er wissen.
    »Er ist an einer Drehachse befestigt. Der Käfig musste gedreht werden können, damit man den Gefangenen besser beobachten konnte. So entging einem keine noch seine kleine Bewegung, und der Häftling kam gar nicht erst auf die Idee, einen Fluchtversuch zu unternehmen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wie man hier fliehen sollte«, meinte François.
    »Zwei Vorsichtsmaßnahmen

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