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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Euren Besuch nicht, Constance. Ich habe nichts für Euch getan, und ich habe nie den Versuch unternommen, Euch kennenzulernen – nur ein einziges Mal.«
    »Ein einziges Mal!«
    »Isabelle war in einem Kloster zusammen mit Lucrezia Borgia, die ebenfalls gerade entbunden hatte. Ich wollte Isabelle noch einmal treffen, ehe ich Italien verlassen musste und habe Euch in einem kleinen Weidenkorb zu ihren Füßen gesehen. Damals sind mir Eure funkelnd schwarzen Augen aufgefallen. An mehr kann ich mich nicht erinnern.«
    »Was soll ich dazu sagen, Seigneur Sforza? Ist das nun wenig oder viel?«
    Er musterte sie ruhig, und Constance begriff, dass er keine Gefühlsregungen empfand, sein Verstand jedoch bei ihrem Anblick ins Wanken geriet.
    »Was bedeuten Augen wie meine für einen Mann wie Euch? Ihr müsst viele Frauen gehabt haben.«
    »Und wie steht es mit Euch, junge Frau?«, fragte er mit einem Lächeln zurück. »Wie viele Männer sind es bei Euch?«
    »Ich habe mich nie verheiratet. Deshalb möchte ich auch nicht im Val de Loire oder überhaupt in Frankreich leben. Glücklich bin ich nur in Florenz, wo die Frauen frei sind.«
    »Ihr meint wohl freizügig!«
    »Nennt es, wie Ihr wollt. Für mich bedeutet das Leben in Florenz eine Selbstständigkeit, die mir gefällt und die ich brauche. Die Frauen aus unserer Familie sind alle so, auch wenn sie keine Weberinnen sind. Die italienische Renaissance, die ihren Siegeszug nach Frankreich unternimmt, gestattet den Florentinerinnen großes Selbstbewusstsein und viel Autonomie. Sie müssen nicht heiraten, wenn sie nicht wollen.«
    »Wovon lebt Ihr dann?«
    »Meine Mutter hat mir das Erbteil gegeben, das mir an der Domaine de La Baume zusteht. Dieses Geld habe ich bei einer seriösen Florentiner Bank angelegt, damit es sich verzinst. Außerdem hat mir Euer älterer Sohn Massimiliano, mein Halbbruder, der etwa mein Alter haben dürfte, eine kleine Residenz auf seinem Erbteil überlassen.«
    »Das ist gut. Und was fangt Ihr mit Eurem Leben an, wenn Ihr nicht verheiratet seid?«
    Die junge Frau antwortete nicht.
    »Ihr werdet Euch die Finger verbrennen, Constance.«
    »Da täuscht Ihr Euch, Seigneur Sforza. Ich verbrenne nur, was ich zerstören will – und vielleicht zuallererst Euer Bild.«
    »Und das mit Recht«, sagte er unendlich traurig. Da stürzte sie auf ihn zu, nahm seine Hand und drückte sie zärtlich.
    »Bitte verzeiht mir. Das war sehr grausam von mir, und glaubt nicht, was ich da gesagt habe. Nein! Ich werde Euch nie vergessen !«
    Er bückte sich und nahm sie in die Arme, war aber so schwach, dass er sich auf seinen Stock stützen musste, der ihm nun im Weg war.
    Er berührte ihre Stirn mit dem Mund, ehe er sie sanft wegschob. Mit unsicheren Schritten ging er zu dem Stuhl, der vor
dem Tisch stand, ließ sich darauf sinken und stützte den Kopf in die Hände. Constance glaubte, er weinte. Als er sie wieder ansah, verstand sie, dass der Herzog Sforza ohne Tränen weinen konnte.
    »Falls Ihr meinen Sohn seht, richtet ihm bitte aus, dass ich sehr oft an ihn denke.«
    »Das werde ich tun.«
    »Wollt Ihr ihm noch etwas anderes sagen?«
    Constance nickte.
    »Ich wünsche ihm, dass er nicht die gleichen Fehler macht wie ich. Dass er seinen Mailändern die Treue hält, die von mir die Unterstützung erwartet hatten, die ich ihnen nicht geben konnte. Das haben sie mir nicht verziehen. König Ludwig XII. zieht es vor, mich gefangen zu halten, damit ich nicht versuche, ihre Gunst zurückzugewinnen.«
    »Ich werde ihn bitten, Euch ein anderes Zimmer auf Schloss Loches zu geben, ein größeres mit besserer Luft.«
    »Nein, danke! Ich fühle mich hier wohl. Hier will ich bleiben. Jetzt müsst Ihr gehen, meine Kleine. In Zukunft denke ich immer an Euch und an Massimiliano.«
    »Adieu! Adieu, Vater!«
    »Wartet noch, Constance!«
    Sie drehte sich um, und der alte Mann sah sie an.
    »Ich habe Eure Mutter wirklich sehr geliebt, Constance. Leider waren die Umstände gegen uns, wie Ihr wisst.«
    Constance schluckte ihre Tränen hinunter und verließ die Zelle, ohne sich noch einmal umzudrehen. François hatte nur auf diesen Augenblick gewartet, um sie in die Arme zu nehmen. Sie zitterte wie Espenlaub und konnte sich kaum auf den Beinen halten.
    »Ist Euch kalt?«
    »Ja.«
    Ausgestattet mit allen Künsten eines zukünftigen Verführers machte sich der junge Duc de Valois allmählich mit dem Vokabular, den Gesten, Blicken und Seufzern vertraut, die man brauchte, um den Frauen zu gefallen,

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