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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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von Dante und verschiedene lateinische und italienische Sgraffiti geschrieben. Zwischen den Textfragmenten fand sich hie und da das Wappen der Sforza.
    »Jetzt nimmt es mich nicht länger Wunder, dass mein Gefangener so gebildet ist«, sagte Ludwig gutmütig.
    Er ging zu dem Gefangenen, fasste seinen Arm und bedeutete ihm, sich wieder zu setzen.
    »Fehlt es Euch an irgendetwas, Seigneur Ludovico Sforza? Ist das Essen gut und Euer Strohsack sauber?«
    »Besten Dank, Hoheit, für Eure großzügige Sorge um mich. Woran sollte es mir Eurer Meinung nach fehlen? Ich habe alles, was ich brauche. Das Himmelszelt, um darunter zu träumen«, sagte er und deutete auf die Sterne an der Decke, »und meine Bücher, um zu studieren.«
    Er schob den Arm weg, den ihm der König gereicht hatte, und ließ sich wieder auf seinen Strohsack sinken.
    »Mein lieber Dante und seine Divina Commedia werden mich bis zum letzten Atemzug begleiten«, sagte er mit einer Stimme, die so hohl klang wie der Kerker. »Er beansprucht mich so, dass ich das Essen ganz vergesse – wie frisch und gut es auch sein mag.«
    Louis XII. deutete ein Lächeln an.
    »Unser Gast ist so kultiviert, dass ich ihm noch einige andere Privilegien einräumen musste, François. Seht Euch einmal diese dunkle Nische genauer an.«
    »Kerkermeister, beleuchtet uns diese Mauer«, befahl er und schnippte mit den Fingern.
    Im Lichtschein der Fackel konnte man die überkreuzten Waffen des Herzogs von Mailand an der steinernen Wand erkennen. Die Mauer mit dem sternförmigen Gewölbe erinnerte eher an einen Weinkeller als an einen Kerker, und man hatte das Gefühl, gleich würde der Wirt kommen und etwas zu trinken anbieten.
    Ludovico Sforza war aufgestanden. Seine große Gestalt war genauso gekrümmt wie die Decke seiner Zelle. Er nahm den Stock, den man ihm gelassen hatte, und ging auf den König zu.
    »Wollt Ihr wieder gehen, ohne mir zu berichten, was sich in meinem Herzogtum tut?«
    »In Eurem Herzogtum! Ihr beliebt wohl zu scherzen, Seigneur Sforza. Diese Äußerung scheint mir reichlich gewagt. Seid Ihr denn nicht mein Gefangener, weil ich nicht zugeben will, dass Ihr Herr über Mailand seid?«
    »Herr über Mailand! Was für ein Unsinn, Hoheit. Oder bin ich denn nicht immer noch Herzog von Mailand, weil ich mich weigere, Euer Gefangener zu sein?«
    »Mein lieber Herzog«, spottete der König, »es ist immer wieder ein Vergnügen, mit Euch zu diskutieren. Nach meinem nächsten Italienfeldzug werden wir ja sehen, wer Herr von Mailand ist.«
    »Mailand wird Euch nie gehören, Sire.«
    »Sagt jetzt nicht, dass Ihr zwischen diesen Mauern Euer Gedächtnis verloren habt, Herzog. Ihr habt sie belogen, die Mailänder. Ihr habt sie auf die gemeinste Weise hintergangen, als Ihr uns erlaubt habt, die Alpen zu überqueren. Die Mailänder legen keinen Wert auf Eure Rückkehr.«
    »Meine Rückkehr!«, musste Ludovico Sforza lachen, und es klang sehr hölzern.
    »Jetzt sind die Schweizer unsere Verbündeten, und der deutsche Kaiser verhält sich ruhig. Nur Venedig versucht uns noch den Weg zu versperren.«
    »Und was ist mit Rom? Euer Kardinal d’Amboise entscheidet die Sache bestimmt nicht zu Euren Gunsten.«
    »Eure Rückkehr nach Mailand aber auch nicht zu den Euren.«
    »Armer König von Frankreich«, sagte Sforza leise. »Meine Rückkehr nach Mailand findet nur noch in meinem Kopf statt. Habt Ihr das noch immer nicht begriffen?«
    Der alte Mann stellte seinen Stock weg und setzte sich wieder auf seinen Strohsack.
    »Genug der Politik!«, sagte er mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Reden wir lieber über da Vinci.«
    Ludwig strahlte übers ganze Gesicht.
    »Euer großer Leonardo gehört auch bald zu den vielen Emigranten von Mailand. Aber keine Sorge, wir werden ihm einen schönen Empfang bereiten.«
    »Nachdem Ihr ihm vorher alle Rechte genommen habt!«
    »Sehr richtig, Seigneur Sforza. Er bringt uns seine Kunst, und zum Dank dafür machen wir ihn reich.«
     
    Kaum hatten sie die Kerker von Loches verlassen, als ihnen auch schon wieder Toinette über den Weg lief. Aufgeregt erklärte sie, sie wisse gar nicht, was sie tun solle.
    »Da sind zwei junge Frauen, die Euch zu sprechen wünschen, Sire! Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass man den König nicht einfach so ohne Einladung sehen kann. Aber sie wollen nicht hören und bestehen darauf.«
    »Zwei junge Frauen?«, fragte der König erstaunt nach und runzelte die Stirn. »Haben Sie denn nicht gesagt, wie sie

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