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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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sie zu bezaubern und auf das nächstbeste Lager zu locken.
    Zunächst zog er sein Wams aus und legte es seiner Begleiterin um die Schultern, die ihm dafür mit einem freundlichen Blick dankte. Als dann der Kerkermeister am Ende des finsteren Ganges erschien und auf weitere Anweisungen wartend näher kam, schickte ihn François mit einer gebieterischen Handbewegung fort.
    »Lasst uns allein. Geht und richtet dem König aus, dass wir die Zelle von Seigneur Sforza verlassen haben und Demoiselle de La Baume sich ein wenig erholen muss«, befahl er ihm in herrischem Ton.
    Kaum war der Wächter verschwunden, küsste er Constance, die es sich gern gefallen ließ. Dieser Junge, der gerade kein Kind mehr war, wusste, wie man küsste. Gewiss war es nicht sein erster Kuss und auch nicht sein erster Eroberungsversuch; er wirkte nicht mehr unschuldig. Die junge Frau empfand diese Höflichkeit als Huldigung eines künftigen Herrschers an sie.
    Seine Lippen wanderten über ihren Hals zu ihrem Busen.
    »In diesem Schloss gibt es nicht nur Kerker«, murmelte er, »sondern auch bequeme große Zimmer. Nicht umsonst hat die schöne und berühmte Agnès Sorel hier gelebt, die ›Dame de Beauté‹. Alles hier erinnert an sie, jeder Raum duftet noch nach ihr. Könnt Ihr es riechen?«
    Er wiederholte einfach, was der König ihm gerade erst erzählt hatte, und war sehr stolz auf sich.
    »Wo sind denn diese großen, bequemen Zimmer?«, flüsterte Constance.
    »Ich kenne eines, das ganz in Blau gehalten ist. Wollt Ihr euch dort vielleicht ein wenig ausruhen?«
    Musste Constance diese Frage wirklich beantworten? François ahnte längst, dass sie einverstanden war, bereit für weitere Küsse und Zärtlichkeiten. Nach der aufwühlenden Begegnung mit ihrem Vater, die sie noch immer wie einen Schilfhalm im Sturm schwanken ließ, brauchte sie unbedingt Trost und liebevolle Unterstützung.

10.
    Schweigend beobachtete Mathias Alix. Sie wirkte vollkommen ruhig, keine ihrer Bewegungen war hektisch oder gereizt. Hatte sie etwa doch nicht diesen Florentiner getroffen, der ihm zuwider war, ohne dass er ihn je gesehen hätte, diesen mächtigen Bankier, der genauso mühelos wie ein anderer ein Stück Brot kaufte, die Eröffnung eines Kontors betrieben hatte, damit er in Brügge seine Millefleurs verkaufen konnte?
    Wie hätte Mathias – blind vor Liebe – auch ahnen sollen, dass Alix jede noch so kleine Andeutung auf ihre leidenschaftlichen Momente mit Alessandro vermied, um ihm nicht unnötig wehzutun? Woher sollte er wissen, dass ab sofort eine schöne, geräumige Residenz mitten in der Stadt auf Alix wartete, wenn der Florentiner ins Val de Loire kam?
    Seit sie wieder zu Hause war, arbeitete Alix voller Eifer an ihrem neuen Wandteppich. Die beiden fehlenden Teppiche aus dem Ensemble Augustus und die Sibylle , deren Anfertigung die Van Mercks auf Drängen des Bankiers Van de Veere Alix anvertraut hatten, sollten bereits im kommenden Jahr fertig sein, weshalb ihr nur wenig Zeit blieb. Arnaude konnte ihr nicht dabei helfen, weil sie die Begegnung am Hofe auf einem der Flachwebstühle fertigstellen musste.
    »Ich habe Louise versprochen, dass sie sie noch vor den Damen mit dem Einhorn bekommt, die eigentlich auch längst fertig sein sollten.«
    Mathias hatte keine Einwände. An diesem Morgen wirkte er heiter und unbeschwert. Auf seiner Stirn waren keine Sorgenfalten
zu sehen, seine blauen Augen strahlten unbeschwert, und Alix entdeckte sogar die Spur eines Lächelns auf seinen Lippen, das ihr so vertraut war und dem jungen Weber so gut zu Gesicht stand. Mathias konnte sehr verführerisch und charmant sein, wenn ihm danach war, was aber nur noch sehr selten vorkam, seit er wusste, dass sich Alix immer wieder in die Arme dieses Liebhabers stürzte, den er am liebsten eigenhändig erwürgt hätte.
    »Bei diesem neuen Teppich verbringe ich die meiste Zeit mit der Arbeit an den Bordüren«, fuhr Alix fort. »Das ist alles noch so neu für mich.«
    »Ich finde, du hast genug Nächte damit zugebracht«, wandte Mathias ein und kam näher. »Wann willst du dich denn endlich ausruhen?«
    »Wenn der Teppich fertig ist. Sobald ich all die Details fertig habe, die ich immer wieder anfange, auftrenne und neu beginne, bis sie mir endlich gefallen.«
    »Kannst du deine Arbeit nicht einfach mal vergessen?«
    Er stand hinter ihr und hatte den verrückten Wunsch, ihren Nacken zu streicheln wie früher bei Florine, als sie noch in der Werkstatt gearbeitet hatte. Schon lange

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