Die Traenen Des Drachen
wenn der Schnee schmilzt, werde ich an dich denken.«
Bul schulterte seinen Speer.
»Das war eine gute Wanderung, zusammen.« Er lächelte.
Loke nahm meine Hand und drückte meine Krallen mit seinen kleinen Fäusten. Er sagte nichts, doch aus seinen Augenwinkeln rannen Tränen über sein faltiges Gesicht. Dann drehte er sich um, und Bile, Vile und Bul folgten ihm.
Ich stapfte so schnell wie mich meine verbrannten Beine zu tragen vermochten zurück zum Tor. Von dort oben waren die Waldgeister nur mehr schwarze Punkte im Schnee, einer etwas vor den anderen. Auf der ersten Anhöhe wandten sie sich Richtung Norden. Ich stand da, bis ich sie auf der Ebene aus den Augen verlor. Ich habe sie nie wiedergesehen.
Drei Generationen von Menschen sind seither geboren und wieder gestorben. Mein Leben dauert schon so lange an, viel länger, als ihr es begreifen könnt.
Aber ich erinnere mich.
An die Jahre, die ich mit Kirgit hatte. Die Freude, die ich mit jedem Tag aufs Neue verspürte.
Wir wohnten drei Winter unter dem Dach ihres Vaters, bevor wir in eine Hütte zogen, die ich gemeinsam mit den anderen Männern gebaut hatte. Dort lebten wir unser Leben als Mann und Frau. Kirgit spann Fäden aus Schafswolle und webte Kleider für uns, und ich kümmerte mich um das Feuer. Abends kamen die Freunde zu uns, und dann saßen wir bis spät in die Nacht vor der Feuerstelle. Ich höre noch immer das Gelächter und die Stimmen, sehe Kirgit, wie sie um Ruhe bittet, um eine Geschichte zu erzählen, und spüre ihre Hand in der meinen.
Das Felsenvolk ging noch immer im Gebirge auf die Jagd, doch aus mir wurde nie ein Jäger. Ich lauschte dem Wind und deutete die Flucht der Vögel und konnte so gute Ratschläge über das Wetter oder bestimmte Weideplätze geben. Jeder hätte das tun können. Das war alles, was das Felsenvolk von mir erwartete. Meine Weissagungen, die Sprache der Vögel. Morgens pflegten Kirgit und ich im Stall die Pferde zu striegeln, und wenn es nicht gerade Winter war, ließen wir sie draußen grasen.
Oft gingen wir auch in die Berge hinauf und sahen nach den Schafen. Die besten Weiden lagen in dieser Zeit weit entfernt, und es dauerte einen Tag, bis man dort ankam. Die Hirten begrüßten uns mit Flötenspiel und Gesang, und wir übernachteten dann immer bei ihnen am Feuer.
Als wir einmal von einer solchen Wanderung zurückkamen, wartete ein Wanderer vor der Hüttentür auf mich. Er trug abgenutzte Pelze und wankte mit gebeugtem Rücken auf uns zu, wie ein Bär, der versucht, auf zwei Beinen zu gehen. Kirgit bekam Angst und rannte los, um Noj zu holen, doch ich nahm den, Fremden mit in die Hütte und gab ihm zu essen und zu trinken. Da sagte er, dass er Grüße von Loke aus dem Westwald mitbrachte. Der Trolljäger wollte, dass ich von denen erfuhr, die gewartet hatten, damit ich die ganze Geschichte erzählen konnte. Der Wanderer schloss die Augen und zählte seine Finger ab, während er Wort für Wort wiedergab, wie es Volom-Kar und dem Gamle oben auf der Lichtung mit Namen Erste Schneeflocke ergangen war. Als er fertig war, stand er auf und ging hinaus. Ich folgte ihm auf den Platz vor der Hütte, wo er stehen blieb und zu den Berggipfeln emporstarrte.
»Es heißt, der Gamle hat sich zwischen die ältesten Bäume gesetzt.« Er zog seinen Pelzumhang vor dem Hals zusammen und schnupperte in den Wind. »Aber für jeden kommt seine Zeit.«
Mit diesen Worten schwankte er davon, ging durch das Tor und war verschwunden.
Ich erzählte Kirgit, was er gesagt hatte, und an diesem Abend hatten Volom-Kar und der Gamle ganz selbstverständlich ihren Platz in unserer Geschichte. Denn es waren ja die Pilzschmerzen des Gamle gewesen, die die Waldgeister und mich nach Süden geführt hatten. Sie lächelte und streichelte mir über den Nacken. Und unsere Gäste lächelten mit uns.
Ja, ich war glücklich damals, und die Jahre vergingen schnell. Sommer, Herbst, Winter und Frühling glitten ineinander und vergingen wie der Morgentau in der Sonne. Denn ich war ein Mensch wie alle anderen, und ich lebte und liebte mit ihnen.
Bis zu dem Winter, dem Tag, an dem sie starb.
Es war einer dieser Abende, an dem der Wind den Nebel von den Bergen nach unten drückt. Ich war im Stall gewesen und hatte eine Stute gemolken, die gerade gefohlt hatte. Kirgit litt, wie oft im Winter, an einem Husten, und Pferdemilch half für gewöhnlich. Ich freute mich darauf, sie in einem Topf über dem Feuer aufzuwärmen. Ich wollte
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