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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Deck wurden von den senkrechten Felswänden zurückgeworfen. Zwei andere Tuur-Schiffe lagen im Hafen, deren Mannschaften sie laut grüßten. Auf den Schiffen waren auch noch andere Völker, die Karain aber noch nie zuvor gesehen hatte. Berge der merkwürdigsten Früchte lagen auf ihren Decks. Die Sklavenhändler machten an Eisenringen fest, die an Trägern an die Felswand geschmiedet worden waren, und Karain sah, dass es einen Pfad gab, der in die senkrechten Wände hineingehauen worden war und nach oben führte. An manchen Stellen waren Felsbrocken herausgebrochen, und dort führte der Weg über schmale Holzplanken, die auf in Spalten und Felsöffnungen verankerten Balken lagen. Und überall hingen Taue von der Kante herab, wie die Fäden eines Spinnennetzes. Karain erkannte dort oben Schultern und Gesichter… Die Menschen beugten sich über die Grasmatten, die gut drei Masthöhen über dem Meer wie Decken auf den Oberseiten der Felsen wuchsen. Von dort aus zogen sie Kästen und Säcke herauf. Zwischen den Schiffen trieben Obst, Nüsse und Trockenfisch, all das, was auf dem Weg nach oben heruntergefallen war. Rückenflossen und Mäuler, die den Abfall schluckten, verrieten, dass die Krettersee voller Haie und anderer Raubfische war. Karain betrachtete den Pfad an der Felswand entlang und sah, dass der einzige Weg hinauf eine Treppe war, die ein paar Schiffslängen in eine kleine Schlucht hineinführte.
    Als die Tuurer ihre Fesseln lösten, glaubte Karain, sie würden jetzt diesen Pfad nehmen. Doch ein Seil traf ihn am Kopf, und er begriff, dass Waren wie er nicht zu klettern brauchten. Der Sklavenhändler verknotete das Seil unter seinen Achseln. Karain konnte gerade noch erkennen, wie Bile hochgezogen wurde, bevor er spürte, dass sich das Seil vor seiner Brust straffte und das Deck unter seinen Füßen verschwand.
    Freunde, ich kann euch sagen, dass Karain damals gewaltige Höhenangst hatte. Im Winter, wenn seine Brüder zu Hause vom Dach in die großen Schneehaufen im Hinterhof hinuntersprangen, wagte er es nie, mit ihnen zu spielen. Die Höhe stach bereits in seinen Fingern und Schultern, wenn er bloß auf einem Tisch stand. Es war ein merkwürdiges Gefühl, als zöge man ihn durch die Luft, um niemals wieder zu landen. Aber die Kretter kümmerten sich nicht darum. Bald war er so hoch wie die Mastspitze, und die Waldgeister, die ja viel leichter waren als er, waren bereits über seinem Kopf verschwunden. Er hörte den Knoten knirschen und war sich sicher, dass er sich lösen würde. Und wieder spürte er dieses Stechen in den Fingern, als stecke jemand, der herauswollte, unter der Haut seiner Finger. Seeschwalben und Schmarotzerraubmöwen flogen mit gestreckten Schwingen durch die Luft. Zwischen den Schiffen glitten dunkle Schatten durch die Tiefe des Wassers, unterbrochen von weißen Zahnreihen, wenn die Haie schluckten, was herabgefallen war. Ich brauche euch nicht zu sagen, dass er Angst hatte und dass auch die Schreie der Waldgeister verrieten, dass sie alles andere als glücklich waren. Zwei Mastlängen über dem Meer begann der Wind Karain hin und her zu schwingen, und als sich der Knoten löste, schloss er die Augen und hoffte, auf einem der Decks zu Tode zu stürzen. Doch da wurden seine Arme gepackt, und er spürte Gras unter seinen Füßen.
    »Was ist denn das?«, hörte er jemanden fragen und rollte auf den Rücken. Er lag dicht neben dem Abgrund, neben sich die Waldgeister. Zwei Kretter beugten sich über ihn.
    »Muuner hat dieses Mal aber wirklich etwas richtig Hässliches gefunden!«
    Karain blickte in ihre dunklen Gesichter, deren grinsende Münder ein paar faulige Zähne offenbarten. Er versuchte sich hinzuknien, doch da packten die Männer seine Jacke und drückten ihn zu Boden. Gemeinsam mit den Waldgeistern wurde er auf einen Karren geworfen. Er lag mit dem Bauch auf einer Ladung Trockenfisch, während die Waldgeister um seine Füße herumpurzelten. Die Kretter setzten sich auf den Kutschbock, und einer von ihnen nahm die Peitsche und trieb die Pferde an.
     
    Krett ähnelte Krugant, doch hier war alles braun und verkommen. Die Häuser standen dicht an dicht, ohne auch nur einer einzigen geraden Straße Platz zu lassen. Als der Karren an der ersten Häuserecke vorbeiholperte, schlug ihnen der Gestank entgegen. Es roch nach verfaultem Fisch und Kot, vermischt mit dem Geruch von Zwiebeln und Gewürzen, der Karain noch mehr Übelkeit verursachte, als er ohnehin schon empfand. Die Stadt lag am

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