Die Tränen des Herren (German Edition)
helle Idee gehabt hatte… Und viel Zeit blieb ihnen nicht. ..
„Gut. Hole eine Kutte. Und bring das Barbierbesteck mit. Und beeile dich!“
Der Mahnung hätte es nicht bedurft. Für den Novizen waren der Flüchtling und die königlichen Söldner ein willkommenes Abenteuer. Eine knappe halbe Stunde später, während die unwillkommenen Gäste sich am ersten Gang der Mahlzeit erfreuten, trat ein junger Mönch aus der Küche. Kahlgeschoren, in schwarzer Wollkutte, und einfache Sandalen an den Füßen. Das einzige, was ihn von den ihn begleitenden zwei Brüdern unterschied, war das Bündel über der Schulter. Jocelin hatte sich geweigert, die eigenen Gewänder zurückzulassen. Sein Schwert trug er unter der Kutte, sorgfältig umgebunden, damit es beim Gehen nicht auffiel.
„Wir bringen Euch bis zur Pforte“, flüsterte der Prior ihm zu. „Dann seht, dass Ihr rasch aus der Stadt kommt! Wenn an Euch fragt, so kommt Ihr aus einem Konvent jenseits des Rheines, aus den Reichsgebieten. Ihr wart in Paris zum Studium!“
Jocelin nickte.
„Was auch geschieht, erwähnt niemals die Abtei Saint Germain de Près!“
Jocelin versprach es beim Kreuz Christi.
Das Gesicht des Priors blieb unbewegt. Wie weit war einem angeblichen Ketzer zu trauen? Wenn man ihn nur schon los wäre, und die Leute des Königs dazu! Der Prior bog um eine Ecke und blieb abrupt stehen. Mit einer Handbewegung hielt er auch die übrigen zurück.
„Es sind Söldner an der Pforte. Nogaret versteht sein Handwerk, dass muss ich sagen! Sicher hat er ihnen befohlen, niemanden herauszulassen!“
Eine Zeitlang standen die Mönche und Jocelin unschlüssig hinter der Mauer. Der besorgte Blick des Priors wanderte zwischen den Söldnern und dem Refektorium hin und her.
Der Templer fühlte sich unbehaglich bei dem Gedanken an die Gefahr, in die er die Mönche brachte. Früher konnte er sich auf sein Schwert und seine Gewandtheit im Kampf verlassen. Da war ER es gewesen, der Bedürftigen Schutz und Hilfe gab! Jetzt war er auf das Wohlwollen Fremder angewiesen! “Ich könnte versuchen, über die Mauer zu klettern, so wie ich hereingekommen bin“, schlug er vor.
„Nun, ein Mönch, der sich über die Klostermauer hangelt, wäre wohl nicht gerade ein unverdächtiger Anblick!“ gab der Prior sarkastisch zurück.
Nach einer geraumen Weile sagte Bruder Cölestinus so ruhig, als handele es sich um die unwichtigste Sache der Welt: “Nogaret lässt unsere Haupttore bewachen, aber doch sicher nicht die “Schandpforte“!”
Im nächsten Augenblick waren die vier auf dem Weg dorthin: Der Küchenmeister sollte Recht haben. Die kleine Tür, durch die aus der Gemeinschaft verstoßene Mönche hinausgelassen wurden, war unbewacht. Die Hände des Priors zitterten vor Freude, als er die Pforte öffnete und Jocelin auf die menschenleere Straße hinauswies. Er dankte Gott inbrünstig für die Befreiung aus der Gefahr. Und das würden alle tun, außer vielleicht dem jungen Novizen, der dem Abenteuer enttäuscht nachschaute.
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Es war schon Abend, als die Waffenknechte Jaques de Molay aus dem Verlies holten.
Seit man den Meister vor acht Tagen in die Burg von Corbeil gebracht hatte, sah er das erste Mal wieder menschliche Gesichter. Zuvor waren nur Stimmen zu ihm geklungen: die rauen Befehle der Wächter und die Schreie derer, die man mit ihm hierher gebracht hatte.
Die Schreie der Gefolterten...
Molays Seele befand sich in einem Taumel von Angst und verzweifeltem Aufbegehren. Als er jetzt vor Guillaume de Nogaret stand, war er entschlossen, zu kämpfen.
Er erwartete ein Verhör, doch der Königliche Siegelbewahrer hatte ihn im Audienzsaal vorführen lassen. Mit einer leutseligen Geste begrüßte er den Meister: „Euer Eminenz, Sire de Molay, es tut mir aufrichtig leid, dass wir uns unter solchen Umständen wieder sehen...“
„Ihr habt mich und meine Brüder verhaften lassen!“ Für einen Augenblick war er wieder der stolze Souverän, der über ein glänzendes Heer gebot. „Ich weiß nicht, was Ihr mit dieser Frechheit bezweckt, Nogaret, aber wenn Ihr noch nicht exkommuniziert wäret, würde Euch das den Bann einbringen!“
„Geht nicht so leichtfertig mit kirchlichen Strafen um, Sire, das rate ich Euch! - Im Übrigen tut Ihr mir unrecht. Ich habe nur die Befehle unseres Herrn Königs ausgeführt. Und Seine Majestät war sehr entsetzt darüber, welcher Unflat der Ketzerei sich des Ordens der Templer bemächtigt hat!“ Nogarets Stimme hob sich. „Eine
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