Die Tränen des Herren (German Edition)
Gesicht. Wusste er etwa schon von dem Flüchtling?!
Um sorglos klingende Stimme bemüht grüßte der Abt. Die Sitte des Bruderkusses überging er geflissentlich und erinnerte den Siegelbewahrer so daran, dass jener noch immer exkommuniziert war. Nogarets Züge wurden noch mürrischer. Er hasste es, offen an seinen Kirchenbann gemahnt zu werden.
„Ich bin gekommen im Auftrag Seiner Majestät des Königs. Es soll untersucht werden, ob diese Abtei ihren Dienst für Gott zum Wohle des Reiches getreulich erfüllt, oder ob, - was der Herr verhüten möge - sich der Geist des Übels eingenistet hat!“
Abt Gauthier wollte einwenden, dass allein der Papst das Recht hätte, einen Visitator nach Saint Germain de Près zu senden. Doch es war wohl klüger, Nogaret nicht noch mehr zu reizen. Er war imstande, etwas zu erfinden, um sich an dem Kloster rächen zu können! In diesem Moment war Vater Gauthier überzeugt, dass es keine obskure Ketzerei war, die König Philipp zur Verhaftung der Templer gebracht hatte. Es war etwas anderes… Und dieses andere hätte seine Augen ebenso gut auf Saint Germain de Près lenken können... Wie es nun vielleicht auch geschehen war...
„Ich werde Euch nach Kräften unterstützen, Sire. Ich stelle Euch einige meiner Mitbrüder zur Seite, die Euren Leuten bei der Untersuchung behilflich sein werden.“
„Aufpasser, wie?“ dachte Nogaret und entgegnete dem Abt: „Ich danke für Eure Mühe, Vater. Aber das wird nicht nötig sein.“
Gauthier nahm die Entscheidung mit einem höflichen Nicken zur Kenntnis, während er fieberhaft überlegte. Nach der eindringlichen Predigt, in der er seinen Mönchen ihre Lage erklärt und sie gemahnt hatte, nicht als Denunzianten zum Richter ihrer Mitbrüder zu werden, glaubte er diese Gefahr gebannt. Aber Guillaume de Nogaret konnte bereits aus einem Wort, einem Blick, einer Geste Verdacht schöpfen! Auf keinen Fall durften seine Männer den Templer finden! Er musste fort!
„So darf ich Euch wenigstens zum Mittagsmahl einladen? Die Gastfreundschaft ist eines der Werke, die der Heilige Benedikt all seinen Söhnen aufgetragen hat. Ihr sollt nicht meinen, dass wir darin der Regel untreu geworden seien.“
Nogaret sah die Freude in den Gesichtern der Söldner und gab widerwillig seine Zustimmung.
Vater Gauthier wandte sich um und rief den einige Schritt entfernt wartenden Prior zu sich. Die Betonung, die er auf jedes Wort legte, genau abwägend, sagte er: „Gehe zu Bruder Cölestinus und richte ihm aus, er möge vorbereiten, was er für richtig hält! Wir empfangen unsere ehrenwerten Gäste im Abtsrefektorium!“
Der Prior verstand. Die blitzenden Waffen der Söldner führten ihm die Bedrohung der Abtei nur allzu deutlich vor Augen. Mit einer Eile, die gerade noch ziemlich war, setzte er sich in Richtung der Küche in Bewegung. Doch der Teufel schien Nogaret beizustehen.
„Ich halte es für besser, wenn währenddessen ein paar Männer an den Toren Wache halten“, meinte er und erteilte die entsprechenden Befehle.
Abt Gauthier merkte, wie er zu zittern begann. Der Schrecken ließ ihn nicht einmal beachten, welch Unverschämtheit diese Maßnahme war. Nun war alles verloren! Er, Gauthier, der 15 Jahre lang seine Abtei beschützt und umsorgt hatte, hatte sie nun zugrundegerichtet...
Bruder Cölestinus unterwies gerade den jungen Novizen, wie ein Fisch auszunehmen sei, als der Prior in die Küche stürmte. „Nogaret ist mit einer Abteilung königlicher Söldner da, um die Abtei zu visitieren! Der Templer muss fort!“
Der alte Mönch blickte auf, verwirrt über die so hereinbrechenden Ereignisse. „Ja...können wir ihn denn nicht hier irgendwo verstecken?“
Der Prior verneinte mit einer konsequenten Geste. „Auf keinen Fall! Das ist viel zu gefährlich! Nogarets Leute werden überall herumschnüffeln! Nein, er muss hier heraus! Aber wie, bei der Allmacht Gottes? Selbst wenn wir ihn ungesehen bis zur Pforte bringen, wird die Inquisition ihn haben, sowie er außerhalb der Mauern ist! Das Geschrei der Leute, wenn sie den Templerhabit sehen, wird nicht zu überhören sein!“
Cölestinus senkte mit unglücklicher Miene den Kopf. Der Prior kaute nervös auf seiner Unterlippe.
„Ich, ich weiß!“ rief plötzlich der Novize aufgeregt. Wir machen einen Mönch aus ihm!“
Ein strafender Blick des Priors traf ihn. Was für eine hirnrissige Idee! Schließlich WAR der Mann schon ein Mönch! Allerdings… Nun, mochte sein, dass der Junge doch eine ganz
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