Die Tränen des Herren (German Edition)
Leugnen hilft Euch nicht. Mir liegen die Aussagen eines Mannes vor, der von Euch in den Orden aufgenommen wurde; Eure Verbrechen sind bekannt. Ihr habt die Novizen Christus verleugnen lassen, nicht wahr? Wir wissen alles, was Ihr getan habt! Euer Leugnen ist zwecklos! Auch Euer Meister hat alle Verbrechen gestanden...”
Robert stieß ein Lachen aus, das die Anwesenden erschauern ließ. „Ein großer Erfolg, nicht wahr?! Was habt ihr mit ihm gemacht? Ihn über dem Feuer aufgehangen? Auf die Wippe gespannt? Ausgepeitscht?“
„O nein, dessen bedurfte es nicht. Er hat absolut freiwillig gestanden, ohne jeden Zwang. Ihr habt keine Hilfe von Eurem Meister zu erwarten, noch von sonst jemandem Eurer Kommandeure! Sie alle haben die Verbrechen des Ordens eingestanden!“
Einen Moment lang schien Komtur Roberts Widerstand gebrochen. Guillaume Imbert glaubte sein Gefecht gewonnen.
Da sagte Robert mit lauter Stimme: “Unsere Hilfe... ist im Namen des Herrn!“
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Nach einer ermüdenden Wanderung entlang der abgeernteten Felder und armseliger Dörfer erreichte Jocelin eines späten Nachmittags den Weiher von Rambouillet. Er beschloss, sich in einer Scheune ein Nachtquartier zu suchen. Die Menschenmenge, die sich am Brunnen versammelt hatte, lenkte jedoch zunächst sein Interesse auf sich. In ihrer Mitte saß ein Mann mit einer Laute, bekleidet mit ehemals wohl prächtigen bunten, jetzt aber zerschlissenen Gewändern, eine Narrenkappe auf dem Kopf. Er sang:
„Wisst ihr es nicht, Leute, wisst ihr es nicht? Gekommen ist die Stunde des Gerichts! Gekommen sind die Tage des Übels und der Klage!“
Wortreich schilderte er die Schrecken der Apokalypse, die Qualen der Verdammten und das Zittern der Seelen auf der Waage des Erzengels Michael. Schon lösten sich die ersten Gestalten aus den Reihen der Zuschauer. „Gekommen ist die Stunde der Versuchung! Gebt acht, Leute, gebt acht!“
Der Gaukler entlockte seinem Instrument einen schaurigen Ton. „Denn der Weg zur Verdammnis ist breit, wie unser Heiland lehrt. Und viele sind‘s die auf ihm gehn! Denn es verführet sie der Antichrist, der das Szepter hält! Schön wie ein Engel ist er wohl, doch falsch und bös‘ sein Herz!“
An dieser Stelle unterbrach er seinen Gesang, zog eine Münze aus dem Beutel und zeigte sie: „Seht ihr, wie sie glänzt? Aber ihr täuscht euch, wenn ihr meint, es sei gutes, reines Silber! Schön ist nur die Schale, darinnen ist billiges Kupfer! Genauso ist es mit dem Antichrist! Darum seid wachsam... Denn er wird wenden was gut war und heilig und rein, in Falschheit und Lüge und Schein...“
Immer geringer wurde die Zahl der Zuhörer, bis der Sänger mit einem resignierten Kopfschütteln verstummte.
„Ja, die Leute wollen keine traurigen Lieder“, sagte er zu Jocelin gewandt. „Wie sie auch keine Predigten über das Ende der Welt hören wollen, nicht wahr, Mönch? Die Leute wollen was Lustiges in diesem Tal der Tränen...“
„Du glaubst wirklich, dass die Zeit des Gerichts gekommen ist?“
„Kennst du die Schrift nicht besser als ich, Mönch? Ich singe, was ich sehe... Und ich sehe das Heilige Land in den Händen der Ungläubigen, die Fürsten Krieg gegeneinander führen, anstatt gegen die Feinde Gottes. Ich sehe einen König, der das Oberhaupt der Christenheit wie einen Strauchdieb gefangen setzte und den neuen Papst tanzen lässt wie eine hölzerne Puppe.” Er machte die entsprechenden Bewegungen.
„Du kommst viel herum?“ wagte Jocelin vorsichtig zu fragen. „Das kann man sagen!“
Jocelin vergewisserte sich, dass niemand sonst seine Worte hören würde, dann fuhr er fort: „Weißt du etwas über die Sache mit den Templerbrüdern?“
„Ah...“ Der Gaukler zog eine Grimasse, als wolle er sein Gegenüber daran erinnern, dass er nicht ernst zu nehmen sei. „Was soll ich wissen, mein guter Bruder, he? Der König und die Inquisition halten ihre Hände darüber, und Kerkermauern sind stumme Zeugen!“ Dann neigte er sich vor und sagte: „Du stellst gefährliche Fragen, Mönch! Bist du am Ende ein Spitzel des Königs? Dann wisse, ich bin ein Narr und Narrenworte sind Rauch im Wind!“ Er lachte.
„Aber sind wir nicht alle Narren in dieser Zeit? Der eine spielt seine Rolle freiwillig, und der andere, weil ein Schwert auf seine Kehle gerichtet ist! Ich war im päpstlichen Palais, als der Heilige Vater einen Brief unseres heiligen“- er faltete fromm die Hände, “Herrn Königs erhielt. Seine Majestät forderte einen
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