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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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den herablassenden Empfang. Aber Papst Clemens hatte ihn ausdrücklich gemahnt, Zurückhaltung zu üben. So ging der Gesandte ohne eine Erwiderung, als Philipp ihn entließ.
    Der alte Mönch stieg die Treppe zum Keller hinab, langsam, um nichts aus der Schüssel zu verschütten.
    „Bruder Jocelin?“ rief er leise.
    Die Gestalt des Templers löste sich aus der Dunkelheit. Der Mönch setzte die Schüssel ab und legte ein Bündel daneben. „Ich habe Euch eine Gemüsebrühe mitgebracht, Brot und Eier.“
    „Ich danke dir! Konntest du etwas Neues erfahren?“
    „Es heißt, dass gestern mit der Befragung der Templer durch die Leute des Königs begonnen wurde.“
    „Wer hat uns angeklagt? Wo wird die Verhandlung sein? Und Papst Clemens, was-“
    Cölestinus hob beschwichtigend die Hände. „Es tut mir so leid, junger Bruder! Aber ich weiß nur, was ich von unserem Bruder an der Pforte gehört habe...“
    Jocelins Gesichtsausdruck wurde verzweifelt. Er stützte sich an einen der Pfeiler und murmelte: „Etwas Furchtbares geschieht mit meinen Ordensbrüdern, und ich kann ihnen nicht helfen! Ich weiß nicht, was ich tun, was ich denken, was ich glauben soll! Alle wenden sich gegen uns! Warum? Ich-“
    Plötzlich klapperten Sandalen auf den Stufen, und eine kindliche Stimme krähte: „Bruder Cölestinus!“
    Jocelin wollte sich verbergen, aber der Schein der Öllampe in der Hand des Novizen hatte ihn schon erfasst. Die Augen des Jungen blieben an dem Templer haften und weiteten sich in sprachlosem Erschrecken. Im nächsten Moment raste er die Treppe wieder hinauf. Jocelin stürzte auf Cölestinus zu. „Halt ihn auf!“
    „Ich bin alt. Er ist viel zu flink für mich, junger Bruder!“
    „Aber er wird mich verraten! Und dann wird man mich der Inquisition ausliefern!“
    „Nein. Nein, das wird nicht geschehen.“ Cölestinus legte beruhigend seine Arme um Jocelin. „Ich spreche mit dem Vater Abt. Er weiß sicher Rat! Er ist ein weiser Mann. Wartet hier, Bruder Jocelin, und habt keine Angst!“
    Gauthier, Abt von Saint Germain de Près, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und lauschte den schlurfenden Schritten von Bruder Cölestinus. Der gute Alte! Seit Jahrzehnten versah er still und freundlich seinen Dienst in der Küche ...Vater Gauthier seufzte. Der Abt war ein Mann, der die Eintracht unter seinen Brüdern über alles schätzte.
    Er hatte erfahren müssen, wie zerbrechlich die Gemeinschaft des Klosters war, wie angefochten von Neid, Stolz und Lauheit. Obwohl ihm die Pflichten seines Amtes manchmal zur Last wurden, kämpfte Gauthier unermüdlich. Kämpfte gegen die Welt, die beständig durch die Mauern zu brechen und den Konvent in ihre Händel, ihre Sünde und ihren Schmutz hineinzuziehen drohte. Und nun war genau das geschehen! Und ausgerechnet durch den herzensguten Cölestinus! Im Keller der Abtei hockte ein flüchtiger Ketzer...
    Doch halt, seine Häresie war noch nicht bewiesen. Vielleicht war er unschuldig. Die Inquisition war zuweilen wohl etwas übereifrig, das wusste Vater Gauthier. Aber die Befehle des Königs waren eindeutig gewesen. Sollte Inquisitor Imbert erfahren, dass sich in Saint Germain de Près ein Templer verbarg, würden auch die ältesten verbrieften Privilegien die Abtei nicht schützen können.
    In Saint Germain de Près ein Ketzer!
    Etwas in Gauthier wehrte sich gegen die Bezeichnung. Ganz gleich, wozu die Inquisition den jungen Ritter erklärt hatte, er war ein Mensch, ein gejagter, verängstigter Mensch, der eine Zuflucht suchte.
    Die Überlegungen des Abtes schwankten zwischen der Sorge um seine Klostergemeinschaft und Mitleid mit dem unbekannten Verfolgten. Bisher hatte er der Anklage, die gegen die Templer vorgebracht worden war, kaum Beachtung geschenkt. Es war nicht seine Sache, ihre Rechtmäßigkeit zu beurteilen. Und noch weniger Grund hatte er, sich zum Verteidiger des Ordens aufzuschwingen.
    Aus dem Kreuzgang klang aufgeregtes Flüstern. Ob der Templer die Ursache der Unruhe war? Wie vielen mochte der Novize seine Entdeckung schon erzählt haben? Ein paar von den Mönchen würden darauf drängen, den Flüchtling der Inquisition zur übergeben. Sie waren treue Untertanen Seiner Allerchristlichsten Majestät! Andere, wie Cölestinus, mochten milder gestimmt sein. Streit und Unfriede würde in St. Germain einziehen.
    „Dazu lass ich es nicht kommen!“ beschloss Vater Gauthier und stand auf. Im Kreuzgang hatte sich inzwischen eine ganze Gruppe Mönche eingefunden, die leise

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