Die Tränen des Herren (German Edition)
zögerte.
Dann sagte er mit leiser, fast unhörbarer Stimme: „Ja…“ Um seine Worte abzumildern fügte er hinzu: „Aber ich habe nur einmal gespuckt...“ Vielleicht war es weniger schlimm, wenn er die heilige Zahl vermied?
„Einmal?“ wiederholte der Inquisitor.
„Ja. Und ich habe Christus nur mit dem Mund verleugnet, nicht mit dem Herzen!“
Im Lauf des Verhörs bekannte Jacques de Molay alle weiteren Vorwürfe, voller Reue, wie Guillaume Imbert meinte.
Aber es war eher die Abscheu vor dem, was er gestand, die Molay den Kopf senken ließ.
Der Inquisitor freute sich schon seines Triumphes über die Kräfte des Bösen, als er die letzte Frage stellte: „Als Ihr die Keuschheit verspracht, hat man Euch da empfohlen, Euch mit Euren Brüdern fleischlich zu vereinen nach dem Brauch des Ordens, und eine entsprechende Aufforderung nie abzulehnen?“
Jetzt hob Jacques de Molay den Kopf. Das war ganz einfach zuviel, das KONNTE er unmöglich gestehen! „Nein, man hat mir weder eine so abscheuliche Sünde befohlen, noch habe ich sie jemals begangen!“
„Sire, überlegt gut, was Ihr sagt!“
„Es gibt nichts zu überlegen! Das ist die Wahrheit!“
Ein Augenblick ging in drückender Stille vorüber.
„Weshalb leugnet Ihr? Wisst Ihr nicht, dass dies völlig sinnlos ist? Wir haben die Aussagen Eures Knappen, von Euch in einer einzigen Nacht zweimal missbraucht worden zu sein! Wir haben das Geständnis eines Ritters, der behauptet, mit Euch aufgenommen worden zu sein! Wir haben Berichte, dass Ihr diese Sünde in allen Häusern des Ordens für gut und notwendig erklärt habt! Warum also wollt Ihr Euch jetzt Schaden zufügen, indem Ihr leugnet?“
Als Jacques de Molay schwieg, sprach der Inquisitor weiter: „Ihr wisst, dass man hartnäckige Ketzer der peinlichen Befragung unterzieht?“
„Ich bin kein Ketzer!“ wollte Meister Jacques protestieren, aber seine eigenen Worte sprachen gegen ihn.
Er hatte gestanden, und jede anderslautende Aussage stempelte ihn zum Relapsus, für den es nur eine Strafe gab: den Feuertod.
Die Peitsche sauste nieder und hinterließ einen weiteren blutigen Striemen auf dem Rücken des Gefangenen.
Die ungerührte Stimme des Inquisitors folgte: „Gesteht Ihr?“
„Ich glaube... an Gott, den Vater... den Allmächtigen...“
Es war die gleiche Frage und die gleiche Antwort wie stets zuvor. Achtmal hatte man Komtur Robert in den vergangenen Tagen verhört, fünfmal unter der Folter, und alles, was er stets von sich gab, war das Glaubensbekenntnis. Imbert hatte ihn in eine Einzelzelle verlegen lassen. Solche Unbeugsamkeit war ein zu gefährliches Beispiel für die übrigen Gefangenen. Der Folterknecht holte erneut aus. Robert sah das Gesicht des Dominikaners zu gräulichem Nebel zerfließen. Er würde das Bewusstsein verlieren... Man würde ihm einen Kübel Wasser über den Kopf schütten, dann würde es von vorn beginnen... Robert hatte das Gefühl, dass sich keine heile Stelle mehr an seinem Körper befand. Alles schien eine einzige brennende, schmerzende Wunde zu sein. Nach der ersten Befragung hatte Robert seine Tunika zerrissen um sorgsam die Verletzungen zu verbinden. Das hatte er längst aufgegeben. Sein Gewand war so schmutzig wie seine Zelle, und wenn ihn die Folterknechte nach Beendigung des Verhörs hineinstießen, blieb er einfach liegen.
Die Peitsche hatte die stickige Luft zerteilt ohne die Haut des Gefangenen zu berühren.
„... an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn...“
Komtur Robert öffnete die Augen. Inquisitor Guillaume Imbert war eingetreten. Er hatte dem Folterknecht mit einer Handbewegung Einhalt geboten. Nun wechselte er einige eilige Worte mit seinem Ordensbruder. Dann wandte er sich Robert zu. Der Komtur suchte sich aufzurichten und vergaß dabei seine verbrannten Füße. Mit einem Stöhnen sank er wieder zusammen, aufrecht gehalten nur von den am Gewölbe angeschlossenen Fesseln.
Imbert blickte ihn an. Sein breites Gesicht bekam einen fast kindlichen Ausdruck.
„Ihr leidet sehr, wie ich sehe“, sagte er. „Aber Ihr selbst seid es, der Euch diese Qualen zufügt! Legt Euer Bekenntnis ab - nein, Ihr seid schwach, es genügt, wenn Ihr die Artikel unterzeichnet - und man wird Euch baden, Eure Wunden versorgen, Speise und Trank und ein gutes Quartier geben!“
Komtur Robert erwiderte den Blick des Inquisitors mit der ganzen Verachtung, deren er noch fähig war. „Ich will den Orden verteidigen!“
„Warum seid Ihr so verstockt? Euer
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