Die Traenen des Mangrovenbaums
schließlich entspannt und befriedigt im Bett lag. »Du bist schon ein gutes Mädchen, Anna Lisa. Ich möchte dich so gerne glücklich machen.«
»Ich bin immer glücklich, wenn du gut gelaunt bist.«
»Aber das fällt mir schwer. Ich will gar nicht grämlich sein, aber es kommt über mich wie eine schwarze Wolke … wie der Aschenregen, der auf die Anne-Kathrin fiel.« Mit einem entschlossenen Ruck setzte er sich auf. »Ach was. Komm, hilf mir beim Anziehen, dann brauche ich nicht zu warten, bis Pahti mit Tietjens zurückkommt, und wir können frühstücken.«
Sie saßen noch beim Frühstück im Esszimmer ihrer Suite, als der Hotelier eintrat. Servil erkundigte er sich, ob die Gäste zufrieden gewesen waren, lächelte geschmeichelt, als sie bejahten, und verkündete dann eine interessante Neuigkeit. Herr Thomas de Verriker, der Bürgermeister des Städtchens, habe vom Missgeschick der Anne-Kathrin gehört und wollte den Passagieren der ersten Klasse den Zwangsaufenthalt mit einem Gartenfest versüßen, das am Abend in seiner Residenz stattfinden sollte. Man dürfe doch mit der Teilnahme des Ehepaares Vanderheyden rechnen?
Simeon grinste schief. Bei einer Tanzveranstaltung sei er zurzeit fehl am Platz. Aber wenn Anna Lisa gehen wollte, warum nicht?
Sie protestierte. »Ich kann nicht ohne dich gehen. Entweder wir gehen zusammen oder wir bleiben zusammen im Hotel. Komm doch! Auch wenn wir nicht tanzen, schön ist es dort gewiss.«
Herr Schuit bestätigte das mit lebhaften Worten.
Also sagten sie zu. Simeon schickte Pahti in die Stadt, einen Krückstock für ihn zu kaufen, damit er sich einigermaßen frei bewegen konnte. Anna Lisa verbrachte viel Zeit damit, ein geeignetes Kleid zu finden, denn da es in Batavia genug Modegeschäfte und Putzmacher gab, um eine Dame auszustatten, hatte sie nicht allzu viel mitgenommen. Auf einen Ball unterwegs war sie nicht vorbereitet gewesen. Außerdem hatten ihre besten Kleider die Schiffsreise ziemlich übel genommen, obwohl Fräulein Bertram sie mit aller Sorgfalt verstaut hatte. Sie rochen muffig, und die Volants und Manschetten hingen schlapp herunter. Schließlich wurde Simeon, der diese Sucherei beobachtete, ungeduldig. »Meine Güte, Meisje, wir sind doch nicht beim Generalgouverneur von Ostindien eingeladen! Du bist hübsch genug, um im letzten Fetzen noch gut auszusehen.«
»Ich will aber trotzdem nicht den letzten Fetzen anhaben.«
Er kramte in der Kassette, in der er das Reisegeld verstaute, stopfte ein paar Banknoten in ein Portemonnaie und warf es ihr zu. »Dann fahr in die Stadt und kauf dir ein Kleid; ich kann nicht mehr zusehen, wie ihr beide hier herumkrabbelt wie Ameisen, die ihre Brut nicht mehr finden.« Als sie ihn zögernd ansah – es erschien ihr ziemlich riskant, so viel Geld für eine einzige Ballnacht auszugeben –, zog er die Augenbrauen hoch und sagte: »Ich befehle es dir als dein Ehemann.«
Daraufhin konnte sie natürlich nichts anderes tun, als in der Hotelkutsche in die Stadt zu fahren und ein Kleid zu kaufen, wobei sie sorgfältig darauf achtete, nicht mehr Geld als unbedingt nötig auszugeben. Simeon fragte aber gar nicht, was es gekostet hatte, als sie es ihm dann abends vor der Ausfahrt vorführte: eine zarte Kreation aus rosafarbenem Taft, deren Ränder und breit gestufte Volants mit scharlachroten Bändern eingefasst waren. Die an den Schultern weit ausladenden Ärmel waren Blumenbouquets nachgeahmt. Es hatte ein eingearbeitetes Mieder, und so wagte Anna Lisa den kühnen Schritt, auf ihr Korsett zu verzichten und sich einzig auf dieses Mieder zu verlassen. Schließlich hatte sie weder einen dicken Bauch noch einen massigen Busen; ihre kindliche Figur brauchte keine zusätzliche Schnürung.
Simeon guckte ihr ins Dekolleté. »Das sieht hübsch aus – wie zwei Mal Vanillepudding in rosa Papier. Lass mich daran lecken.«
»Nur lecken, nicht reinbeißen.«
Er lachte. An diesem Abend war er gut gelaunt, obwohl es eine ziemliche Quälerei für ihn bedeutet hatte, sich in einen korrekten Abendanzug zu manövrieren. Entschlossen, auf eigenen Füßen zu gehen, soweit er konnte, versuchte er allein auf den Stock gestützt zu gehen und hatte Erfolg damit. »Ich habe es satt, dauernd getragen zu werden wie ein Wickelkind«, erklärte er. »Auch wenn ich mit der Krücke da keine großen Sprünge machen werde. Alle werden denken, du hast einen klapprigen Greis geheiratet.«
Sie lachte und flüsterte ihm ins Ohr: »Dann werde ich ihnen Dinge
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