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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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zustimmte, ließ sie sich auf die Tanzfläche führen. Was für ein Wirbel von Bildern, als sie sich am Arm ihres Tänzers im Kreis drehte! Um sie funkelte ein Kaleidoskop aus wirbelnden silbernen und goldenen Flecken – die hellen Gaslampen, der glitzernde Schmuck der Damen, die Wogen von Damast, Tüll, Brüsseler Spitzen und Straußenfedern, die mit Strasssteinen bestickten Täschchen. Und kaum war der Tanz zu Ende, wurde sie von Neuem aufgefordert. Alle Welt schien mit ihr tanzen zu wollen. Anna Lisa wurde es allmählich wirr im Kopf. Sie wurde Leuten vorgestellt, die sie nicht kannte, musste nicken und lächeln, verstand bei dem Lärm nicht, was in drei ständig wechselnden Sprachen zu ihr gesagt wurde. Außerdem waren immer mehr ihrer Tänzer ziemlich angeheitert, und sie sah es kommen, dass früher oder später ein Betrunkener um einen Tanz bitten würde. So gut sie sich auch amüsiert hatte, war sie doch erleichtert, als Fräulein Bertram diskret an sie herantrat und ihr meldete, der gnädige Herr wünsche jetzt, den Ball zu verlassen.
    Mit heißen Wangen und schmerzenden Füßen kehrte sie zu Simeon zurück. Da Pahti bei Tietjens geblieben war, musste sie ihm beim Aufstehen helfen und dafür sorgen, dass zwei von Herrn Verrikers Lakaien ihm beim Einsteigen in die Kutsche zur Hand gingen, während Fräulein Bertram ihnen die Taschen nachtrug.
    »War es zu früh für dich?«, fragte Simeon, als die Kutsche den beleuchteten Vorplatz der Villa verließ und in die Schatten der langen Auffahrt rollte. »Wärest du gerne noch länger geblieben?«
    Sie kuschelte sich an ihn. »Das würdest du nicht fragen, wenn du fühlen könntest, wie mir die Füße wehtun! Wenn wir im Hotel sind, werde ich sie als Erstes ins kalte Wasser stecken. Oh, und mein Kopf brummt! Was für ein Gedränge! Lustig war es schon, aber hast du bemerkt, wie viele von den Herren schon angetrunken waren?«
    »Deshalb habe ich darauf gedrängt, dass wir gehen. Ein paar waren nicht nur angetrunken, die waren sternhagelvoll, und es ist noch nicht einmal ein Uhr morgens. Es sah so aus, als würde es bald ziemlich ausgelassen zugehen, und das liegt mir nicht so.«
    »Wahrscheinlich gibt es hier nicht oft große Feste, und da lassen sie es krachen, wie mein Vater das nannte. Aber schau, ist die Nacht nicht wundervoll?«
    Die meisten der chinesischen Lampions, die den Park illuminiert hatten, waren erloschen, da und dort schimmerte noch einer wie ein riesiges gelbes Glühwürmchen. Nur die Laternen der Kutsche erhellten die Allee von Riesenbäumen, aus deren graugrünen Kronen die knotigen Seile von Lianen herabhingen. Ein paar Schritte vom gepflegten Rasen entfernt dehnte sich das Zwielichtreich des feuchten, verworrenen Dschungels, von der Zivilisation ferngehalten durch hohe Parkgitter, in denen sich da und dort Pforten in das von nächtlichen Geräuschen erfüllte Dickicht öffneten. Ein Stachelschwein huschte über den Weg und stellte, als es das Hufgeklapper der Pferde hörte, drohend sein Stachelkleid auf, dann verschwand es blitzschnell im schwarzen Geschlinge des Unterholzes. Ein betörender Duft drang von allen Seiten auf sie ein, als die Blumen der Nacht ihre Kelche öffneten, um im Dunkeln schwirrende Insekten anzulocken. Anna Lisa war wie berauscht von all der Fremdartigkeit und Schönheit. Im Innersten bewegt, ergriff sie die Hand ihres Gatten und flüsterte ihm ins Ohr: »Küss mich.«
    Er gehorchte bereitwillig.

Batavia
    Z wei Tage später erhielten sie die Nachricht, dass der kleine Vulkanausbruch keine ernsthaften Schifffahrtshindernisse hervorgebracht hatte und die Anne-Kathrin ihre Reise fortsetzen konnte. Alles kehrte an Bord zurück. Der Lotse nahm seinen Platz am Steuerrad ein, und der Hochseedampfer tuckerte mit vorsichtig gedrosselten Maschinen in die gefährliche Fahrrinne.
    Da die Sundastraße so eng war und sie im Zickzack fuhren, um den Inseln auszuweichen, kamen sie häufig der Küste so nahe, dass sie Einzelheiten erkennen konnten. Nie im Leben hatte Anna Lisa eine so liebliche Landschaft gesehen wie die Küste von Java. Sie fuhren vorbei an Bananenhainen und Kokosfarmen und riesigen Teeplantagen. Der Strand war breit und weiß, von Palmen gesäumt, hinter denen sich die leuchtend grünen Treppen der Reisfelder hinzogen. Entlang des Ufers zog sich der schneeweiße Saum der Brandung, davor ein breiter Streifen in leuchtendem Türkis, der das seichte Wasser markierte. Zuletzt ging das Türkis in das tiefe Dunkelblau der

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