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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Er saß wie versteinert und wäre verblutet, hätte Mijnheer Zeebrugge nicht blitzschnell reagiert. Er riss sein Halstuch herab, legte es als Druckverband um den verletzten Arm und drehte es mit einem Löffelstiel zusammen, bis die Ader abgepresst war. Da kam auch schon der Oberkellner herbeigeeilt, und als er in den Speisesaal rief, ob ein Arzt anwesend sei, sprang am entfernten Ende ein kräftiger, rotbärtiger Mann auf.
    Anna Lisa stand ratlos und hilflos daneben, während Zeebrugge und der Doktor sich um ihren Gatten bemühten. Sie schafften den jetzt völlig Apathischen aus dem Speisesaal und hinauf in die Suite des jungen Ehepaars. Pahti und Fräulein Bertram eilten erschrocken aus ihren Zimmern herbei, und Tietjens, die die Gefahr für das Leben ihres Herrn witterte, stieß ein grässliches Jammergeheul aus. Sie wollte sofort an ihn heran und ihn nach Hundeart behandeln, indem sie ihn ableckte. Pahti musste all seine Überredungskunst aufbieten, um sie aus dem Krankenzimmer zu locken.
    Als sie Simeon aufs Bett legten, verlor er das Bewusstsein. Anna Lisa glaubte einen schrecklichen Augenblick lang, er sei gestorben, dann holte sie tief Atem, als der Arzt ihr versicherte, er würde keinen bleibenden Schaden davontragen. Die Schnittwunde konnte mit ein paar Stichen genäht werden und würde in einigen Tagen verheilen. Er hatte bereits nach seinem Gehilfen geschickt, der alles Nötige für die kleine Operation mitbringen würde.
    »Verdammt jähzornig, Ihr Herr Gemahl«, sagte er. »Was hat ihn denn so aufgebracht?«
    »Ach, nichts«, antwortete Anna Lisa sarkastisch. »Wir haben nur gerade erfahren, dass unsere Kaffeeplantage ruiniert ist, der Verwalter tot, die Arbeiter verschwunden, die Sträucher verdorben und das gesamte Gut wegen Typhus unter Quarantäne gestellt ist.«
    Der Arzt blickte betroffen beiseite. »Tja«, murmelte er, »das ist allerdings ein schwerer Schlag.« Anscheinend tat es ihm leid, dass er eine so bissige Bemerkung gemacht hatte, denn er war erleichtert, als sein Gehilfe mit Arztkoffer, Gipsbinden und Ätherflasche erschien, und widmete sich ganz seiner Arbeit. Simeon, der eben anfing, wieder zu sich zu kommen, versank von Neuem in Bewusstlosigkeit, als der Gehilfe ihm ein Tuch aufs Gesicht legte und Äther daraufträufelte.
    »Sehen Sie lieber nicht her, Mevrouw«, warnte der Arzt, als er zu Nadel und Faden griff. »Das ist blutige Arbeit. Wollen Sie nicht in Ihr Boudoir gehen? Ich kümmere mich dann um Sie.«
    Anna Lisa schüttelte den Kopf. Warum sollte sie weggehen? Wenn Simeon krank war, musste sie bei ihm bleiben. Sie wunderte sich selbst, wie unbeteiligt sie zusah, als der Arzt mit ein paar geschickten Stichen die Wunde vernähte, eine Mullbinde darumwickelte und dann den Gipsverband anlegte, der ein erneutes Aufreißen verhindern sollte.
    »Nun, ich gebe ihm ein Schlafmittel, dann liegt er jedenfalls nicht die ganze Nacht wach und grübelt. Wollen Sie auch eines?«
    »Nein danke.« Warum eigentlich nicht?, dachte sie im nächsten Augenblick. Wem nützte es denn, wenn sie auf und ab lief wie ein Tiger im Käfig oder sich rastlos im Bett herumwälzte? Aber sie wollte nun einmal nicht. Sie bildete sich ein, Simeon würde etwas Schreckliches zustoßen, wenn sie nicht über ihn wachte, obwohl der Arzt versprach, er würde tief und fest schlafen.
    Der Mediziner bemerkte: »Ich will mich nicht in persönliche Dinge einmischen, aber unter den gegebenen Umständen und bei der schlechten Gesundheit Ihres Gatten … Wenn Sie nach Deutschland oder Holland zurückkehren wollen, sollten Sie gleich buchen, damit die Anne-Kathrin Sie auf der Rückfahrt wieder mitnimmt.«
    »Das muss Simeon entscheiden.«
    »Und falls Sie länger in Java bleiben, Mevrouw«, fügte er hinzu, »sollte Ihr Gatte sich vor seinem Temperament in Acht nehmen. In den Tropen kann ein Wutanfall seinen Tod bedeuten. Sein Gehirn kann bersten wie eine überreife Frucht. Wenn man in diesem Höllenklima überleben will, muss man eines lernen: viel zu schlafen, in Ruhe zu arbeiten, sich über nichts aufzuregen.« Er kramte in seiner Tasche herum und legte eine Schachtel Zigaretten auf den Tisch – kleinfingerlange, silbergraue Stumpen, die einen süßlich würzigen Geruch ausströmten, obwohl sie gar nicht angezündet waren. »Das wird ihm helfen. Es beruhigt die Nerven, und nichts brauchen Sie in diesem Land dringlicher als ruhige Nerven. Ich sehe morgen noch einmal nach ihm.«
    Er verschwand und ließ die junge Frau bei

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