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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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entsprechenden Vollmachten ausstellst, lasse ich eine Passage auf dem nächsten Dampfer buchen«, sagte er.
    Bartimäus richtete sich auf. Die Last auf seinen Schultern war leichter geworden. »Mein guter Sohn«, sagte er mit rauer Stimme. Nie hatte mehr ehrliche Zärtlichkeit in seinen Worten gelegen.
    Godfrid spürte die Wärme und genoss sie, aber wie immer waren seine Gedanken beim Praktischen. »Und Simeon?«, fragte er. »Sobald er in Java landet, wird er davon erfahren. Was dann? Was wird er tun?«
    »Was soll er tun? Er hat doch keine Ahnung von Geschäften. Aber sei unbesorgt, ich werde der Bank auf der Stelle ein Telegramm schicken, dass du allein die Vollmacht hast, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Sie sollen Simeon und seiner Frau eine Schiffskarte für die Rückfahrt kaufen und basta.«
    Godfrid machte sich also umgehend auf den Weg nach Java, aber seine Reise stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. In London blieb der Dampfer Meerschwalbe, auf dem er reiste, eine Woche lang wegen Maschinenschadens im Hafen liegen. Vor Gibraltar tobten zwischen den Säulen des Herakles so heftige Stürme, dass der Kapitän mehrere Tage lang zögerte, das gewaltige Schiff durch die enge Passage zu manövrieren. Und als sie schließlich Bombay erreichten, schien dort erst einmal Endstation zu sein: Ein paar Fälle von heftigem Brechdurchfall an Bord erweckten bei den Hafenbehörden den Verdacht, es könnte sich um Cholera handeln, da kurz zuvor ein türkisches Schiff wegen derselben Krankheit in Quarantäne gelegt worden war, und die Meerschwalbe blieb auf vorerst unbestimmte Zeit im Sperrbezirk liegen. Er musste damit rechnen, dass es bereits spät im August sein würde, bis er endlich die Insel erreichte – und auch das nur, wenn nicht noch weiteres Unheil hinzukam.
    Auch Elmer Lobrecht, der stets ein Auge auf seine Kunden hatte, erfuhr durch die Nachrichtenagentur Reuter von dem Unheil, das Vanderheydens Plantage betroffen hatte, und er machte sich Sorgen. Auf der Stelle rief er seine Söhne zusammen.
    »Vanderheyden kann ja nichts dafür, wenn Typhus ausbricht, sein Verwalter stirbt und die Arbeiter die Plantage verlassen«, erklärte er ihnen. »Dennoch würde ich sagen: So haben wir nicht gewettet. Was da den Bach hinuntergeht, ist ein Teil von Simeons Erbe und damit auch der Besitz eurer Schwester. Ich habe einen geschäftlich unfähigen Schwiegersohn akzeptiert, weil ich mich darauf verlassen habe, dass er mit den Geschäften nie etwas zu tun haben wird. Jetzt steht er da unten im Dschungel und muss mit einer Sache zurechtkommen, die ihm jetzt schon weit über den Kopf wächst.«
    »Wird sich sein Vater nicht ohnehin darum kümmern, dass ihm das Erbe erhalten bleibt?«, fragte Thorben, der mittlere Sohn. »Ich meine, das wäre doch das Natürlichste von der Welt; es liegt ja auch in seinem eigenen Interesse.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, mischte sich Carl Gustav ein, der den Schwiegervater seiner Schwester von Anfang an mit Misstrauen betrachtet hatte. »Natürlich ist dem Mijnheer daran gelegen, die Plantage so rasch wie möglich wieder auf die Beine zu bringen. Aber ich denke, er wird die Gelegenheit nutzen, alles seinem Bastard zuzuschanzen und Simeon aus dem Spiel zu werfen. Ich mag den seltsamen Gesellen nicht, aber er ist der Mann meiner Schwester, und wenn er bankrottgeht, ist Anna Lisa die Erste, die darunter leidet.«
    Elmer nickte. Wie immer war er sehr zufrieden mit seinem ältesten Sohn.
    »Das Problem ist«, fuhr Carl Gustav fort, »dass Simeon keine offizielle Vollmacht seines Vaters hat, die Plantage zu leiten, er sollte ja gewissermaßen nur Gast dort sein und dem Verwalter zusehen, wie der die Sache deichselt. Godfrid aber wird eine Vollmacht haben – das muss er sogar; vor dem Gesetz ist er schließlich nur ein Angestellter. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, dass der Bursche dort unten auftaucht, alles abräumt und die Plantage kassiert.«
    Der Reeder nickte. »Ich werde auf der Stelle ein Telegramm an den deutschen Konsul und unseren Kontaktmann bei der deutschen Bank in Batavia senden, dass wir bei allen Verfügungen über die Plantage auch ein Wörtchen mitzureden haben.«
    Edgar Zeebrugge schlief nur wenig in dieser Nacht. Die Dinge hatten sich auf eine Weise entwickelt, mit der er nicht gerechnet hatte. Er hatte es auf sich genommen, die jungen Vanderheydens von der Katastrophe zu unterrichten, weil er neugierig auf die zukünftigen Nachbarn war

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