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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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ihr die heile Linke entgegen, zwischen deren Fingern eine wirklich wunderschöne Orchidee pendelte. Vorsichtig ließ er die Blume in eine Waschschüssel mit Wasser gleiten, in der schon ein halbes Dutzend anderer schwamm. »Ich bin ein Narr«, fuhr er gut gelaunt fort, »dass ich mir in meinem Jähzorn die eigene Hand zerschnitten habe; jetzt kann ich wer weiß wie lange nicht zeichnen! Aber ich habe mit dem Hotelier gesprochen. Er wird mir einen Fotografen beschaffen, der Lichtbilder von diesen Blumen macht. Sieh dir das an, Anna Lisa! Sieh dir das nur an!«
    Er strahlte, und trotz ihrer Müdigkeit und Sorge fühlte sie, wie seine Glückseligkeit ihr Herz wärmte. »Warte nur«, sagte sie, »wenn ich dir erst von den Blumen erzähle, die ich unterwegs zur Plantage gesehen habe!«
    »O ja.« Er hatte sichtlich Mühe, sich von der Botanik loszureißen und dem neuen Thema zuzuwenden. »Du warst ja dort … mit diesem Herrn Zeebrugge. Und? Ist es wirklich so schlimm?«
    »Ja. Die Plantage und der Garten sind eine einzige Wildnis. Die Quarantäne wird noch eine ganze Weile aufrechterhalten werden, sicher bis in die Regenzeit hinein. Das heißt, im Haus wird viel verderben. Und mit der Kaffeeernte können wir nicht rechnen. Das Geld der Plantage, sagte mir Herr Zeebrugge, liegt auf der holländischen Bank in Batavia. Übrigens habe ich einen Freund von Herrn Zeebrugge kennengelernt. Er heißt Raharjo und ist der Enkel eines einheimischen Fürsten.« Sie lachte nervös, als sie den Namen nannte, und war froh, dass Simeon ihre Anspannung nicht bemerkte. »Da behaupteten Vaters Kapitäne, die Männer in Java sähen wie kleine braune Affen aus. Keine Rede! Er ist wunderschön, und seine Haut hat eine Farbe wie die alten Elfenbeinschnitzereien in Mutters Vitrine. Aber er hat orangefarbene Zähne.«
    »Ja, vom Betelkauen«, kommentierte Simeon, der keinerlei Interesse an Anna Lisas Bekanntschaft hatte. »Das ist genauso, wie die Leute bei uns braunen Speichel vom Tabakkauen bekommen. Ekelhaft. Aber zeichnen möchte ich einen Betelstrauch.« Er warf einen ärgerlichen Blick auf seine eingegipste Hand. »Wie lange wird das wohl dauern, bis ich wieder arbeiten kann? Hoffentlich werden meine Finger nicht steif von dem Gipsverband.«
    Anna Lisa setzte sich neben ihn und schob die Hand unter seinen Arm. »Auch wenn es eine Woche oder zwei dauert, bis du wieder zeichnen kannst, so werden die Blumen doch noch da sein. Die waren schon da, als Adam und Eva noch im Paradies wohnten, und werden nicht über Nacht verschwinden. Du hast jede Menge Zeit.« Zögernd setzte sie hinzu: »Außer natürlich, du willst lieber wieder nach Hause. Herr Zeebrugge sagte, wenn wir gleich ins Hafenbüro fahren, kann uns die Anne-Kathrin auf der Rückfahrt nach Deutschland wieder mitnehmen.«
    Simeon drückte eine weiße, aufgeplusterte Blüte an die Lippen, so zärtlich, als küsste er eine Frau, und ließ sie in das Wasserbecken fallen. »Ich fahre aber nicht nach Deutschland zurück. Auch nicht nach Holland.« Er sprach leise und beiläufig, als hätte er eine nebensächliche Entscheidung getroffen und nicht eine, die ganz entscheidend für sein und Anna Lisas ganzes Leben war. »Was sollte ich denn dort tun? Deinem Vater auf der Tasche liegen und von deinen Brüdern ein fauler Sack geschimpft werden, der nichts tut als Blumen pflücken? Oder in Amsterdam darauf warten, dass mein Vater stirbt und mir seine Kompagnie hinterlässt? So robust, wie der alte Teufel ist, überlebt er mich noch.«
    Er lehnte sich in den Stuhl zurück und blickte Anna Lisa voll in die Augen. »Ich bleibe hier. Aber ich will dich nicht zwingen, dasselbe zu tun.«
    »Simeon! Du bist mein Mann. Wenn du hierbleibst, bleibe ich auch hier. Aber … was hast du im Einzelnen vor?«
    »Das werde ich morgen entscheiden. Ich habe nämlich nicht nur wegen eines Fotografen für meine Blumen mit dem Hotelier gesprochen. Er hat mir auch einen Rechtsanwalt empfohlen, der morgen mit mir frühstücken wird. Dr. Julius Ascher. Ein Deutscher übrigens, der erst vor einigen Jahren hierher ausgewandert ist. Ein mickriger kleiner Jude, sagte der Hotelier, aber ein Ass in seinem Beruf.« In Simeons dunklen Augen tanzte ein Feuer, wie Anna Lisa es noch nie gesehen hatte. »Vielleicht wird es meinem Vater noch leidtun, dass er mich nach Java geschickt hat.«
    Ohne sich weiter zu äußern, winkte er Pahti, ihm auf die Beine zu helfen. Auf den Diener gestützt, hinkte er mühselig aus dem Zimmer.
    Anna

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