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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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sehr vernünftig. Warum ein verseuchtes Gut betreten, wenn es rundum so viel Schönes zu sehen gab? Man fand dort nichts mehr außer angriffslustigen Affen, giftigem Ungeziefer und einer fairen Chance, sich Bauchweh und Fieber zu holen.
    Damit sprach er durchaus die Wahrheit, denn während es sich die Vanderheydens im Rosenhaus gut gehen ließen, waren viele fleißige Hände heimlich damit beschäftigt gewesen, den Schatz der Prinzessin von Pajajaran aus der Höhle zu schaffen und in Ölfässern, Getreidesäcken und Tabakkisten nach Bandung zu transportieren. Eigentlich hätte die Angelegenheit längst erledigt sein können, wäre Dongdo nicht der Überzeugung gewesen, dass es irgendwo auf der Plantage noch ein zweites Versteck gab – und Raharjo traute dem Instinkt seines Dieners. Es war ja auch eine durchaus vernünftige Überlegung, dass ein umsichtiger Verwalter nicht alle Schätze an einem einzigen Ort unterbrachte.
    Die einzige Sorge des jungen Edelmannes war jetzt, dass der Dampfer mit Godfrid Brägens an Bord nach langer Verzögerung jeden Tag näher kam. Im August würde er in Batavia anlegen – wann genau, hing vom Wohlverhalten der Vulkane in der Sundastraße ab. Gut informiert über das Geschwätz der gemeenschap , wusste Raharjo, dass er diesen Vogel nicht mit derselben Leimrute fangen würde wie das naive junge Ehepaar. Brägens würde sich schnurstracks auf den Weg zur Plantage machen und dort alles genau kontrollieren. Er war gewiss kein Mann, der sich von Schlangen und Ratten von einem Haus fernhalten ließ, das er als sein Eigentum betrachtete. Allerdings konnte er im Moment noch nicht viel mit Buitenhus anfangen. Die Quarantäne galt noch, und selbst wenn sie demnächst aufgehoben wurde, würde er so schnell keine Arbeiter finden – schon gar nicht, wenn unter den Javanern das Gerücht umlief, dass Herr Raharjo solche Arbeit nicht wünschte. Und es waren Berge von Arbeit, die Godfrid Brägens erwarteten: Haus und Garten, Arbeiterquartiere, Arbeitsschuppen, die gesamte verwilderte Pflanzung musste gerodet, gereinigt und saniert werden. Unmöglich, das alles zu schaffen, bevor im Oktober die nächste Regenzeit fällig war und jegliche Tätigkeit unmöglich machte.
    Aber er würde da sein, und den Javaner warnte sein Instinkt, dass er sich vor diesem Gegner in Acht nehmen musste.
    Was Herr Raharjo nicht wusste, war, dass zur selben Zeit auch ein anderer Gegner eifrig am Werk war. Jasper Kranewitter hatte eine sorgfältig ausgearbeitete Falle gestellt. Er hatte das Gerücht verbreiten lassen, dass die Bewacher der Sträflingslager wegen der vielen Ausbrüche mit völlig neuen, viel tüchtigeren Waffen ausgerüstet wurden. Ein Transport solcher Waffen sei bereits auf See unterwegs und sollte an einem Tag, der genau genannt wurde, an einem ebenfalls genannten Ort an Land gebracht werden. Kranewitter wusste, dass diese Nachricht die Aufständischen anlocken würde wie der Zucker die Wespen, und wenn alles nach seinen Plänen ging, würde er eine beträchtliche Anzahl von ihnen gefangen nehmen, das Goldhähnchen mit eingeschlossen. Der Kontrolleur hatte zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine offizielle Verhaftung und ein öffentlicher Prozess nicht im Interesse des Generalgouverneurs lagen, aber es hinderte einen ja niemand, den Vogel, wenn er einmal gefasst war, kurzerhand zu erschießen und im Wald zu verscharren. Vielleicht – das jedenfalls hoffte Kranewitter – ging ihnen bei der Gelegenheit auch gleich Edgar Zeebrugge ins Netz. Dass der Judas mit den Rebellen gemeinsame Sache machte, war ein offenes Geheimnis, nur musste man ihn auf frischer Tat ertappen.
    Die Nacht, für die alles geplant war, kam heran. Die Falle wurde aufgespannt, der Köder hineingelegt. Man wartete auf die Beute.
    Anna Lisa fühlte sich so geborgen im Rosenhaus, dass sie keinen Protest erhob, als Simeon ankündigte, sie über Nacht allein lassen zu wollen. Er hatte Kontakte geknüpft mit dem hortulans , dem Obergärtner des botanischen Gartens in der Residenz Buitenzorg, und eine Einladung zur Besichtigung erhalten. Das alles würde einige Zeit in Anspruch nehmen, denn natürlich musste er nach dem Rundgang durch die umfangreichen Anlagen mit dem Obergärtner essen, trinken und ein langes Fachgespräch führen, und bei der inzwischen atemberaubenden Hitze wollte er sich auf keinen Fall hetzen. Er würde Tietjens und Pahti mitnehmen, damit unter den Hausangestellten nicht wieder die Panik ausbrach, weil der

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