Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
Vom Netzwerk:
Scheiterhaufen nur verzehrt hatte, was ihm tatsächlich anvertraut gewesen war.
    »Was wird jetzt geschehen?«, fragte Simeon, nachdem Zeebrugge sich ein wenig gefasst hatte.
    Unter dem dichten Schnurrbart blitzte ein grimmiges Lächeln auf. »Die Javaner werden die Männer finden, die Raharjo ermordet haben, und sie werden allerhand Unschönes mit ihnen anstellen, bevor sie sie sterben lassen. Ich habe kein Mitleid mit ihnen. Das waren gedungene Mörder, die für Geld jeden töten würden, dessen Namen man ihnen nennt. Die Behörden wollten das Risiko vermeiden, den Enkel eines Adhipati offiziell als Rebellenführer anzuklagen; hätten sie ihn verhaftet oder gar verurteilt, hätten sie sich ins eigene Fleisch geschnitten. Sie hätten nicht nur seinen mächtigen Großvater gegen sich gehabt, sondern auch alle anderen Fürsten. Also haben sie ihn meuchlings aus dem Weg geräumt und werden irgendeinen billigen Vorwand für seinen Tod finden – dass er von Wegelagerern ermordet wurde oder dergleichen. Haben sie dasselbe nicht auch bei mir versucht?«
    Er erzählte ihnen, wie ein Heckenschütze seinem Pferd einen Stahlstift in die Hinterbacke geschossen hatte, sodass es ihn abwarf und beinahe zertrampelt hätte. »Man muss immer mit kleinen, zufälligen Unglücksfällen rechnen, wenn man den Mijnheers auf die Zehen tritt.« Dann wurde ihm plötzlich bewusst, wie schwierig die Situation für die Vanderheydens war, und er sagte: »Was Sie angeht, so verhalten Sie sich am besten ganz still. Sie haben nichts gesehen und nichts gehört, lassen Sie sich auf kein Gespräch ein, weder mit den Einheimischen noch mit den Holländern. Es wird Ihnen nichts geschehen, denn Sie sind immer noch Herrn Raharjos Gäste, aber machen Sie sich unsichtbar, bis die erste Aufregung vorüber ist. Wenn holländische Beamte kommen, sagen Sie einfach, dass alle hier untereinander nur Malayalam sprechen und Sie keine Ahnung haben, was los ist. Im Wald hat es gebrannt, das ist alles, was Sie wissen.«
    Die beiden nickten. Anna Lisa hatte sich auf dem Bett ausgestreckt. Der Schock saß ihr in allen Gliedern, ihr war schwindlig, und sie fühlte sich so schwach, dass sie nicht gewagt hätte aufzustehen.
    »Und was werden Sie machen?«, fragte Simeon.
    Zeebrugge zuckte die Achseln. »Dasselbe. Alle meine Diener werden bestätigen, dass ich seit Tagen an Malaria leide, das Haus nicht verlassen habe und nicht weiß, was draußen vorgeht. Deswegen verabschiede ich mich jetzt auch.« Er drückte Simeon die Hand, lächelte Anna Lisa zu und fügte noch einmal eindringlich warnend hinzu: »Nichts hören, nichts sehen, nichts reden – das ist die einzige Methode, nicht in ein blutiges Schlamassel hineingezogen zu werden.«
    Damit ging er.
    Der Java-Bode brachte in seiner nächsten Ausgabe einen knappen Bericht.
    Wie so häufig in dieser heißen und trockenen Jahreszeit kam es wieder zu einem Hausbrand, der ein Menschenleben forderte. Es kann nur eindringlich davor gewarnt werden, ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen zu rauchen oder ein Feuer zu entzünden. Vermutlich war es eine solche Unvorsichtigkeit, die zum Tod eines jungen javanischen Adeligen führte, der in einem verlassenen Gebäude Zuflucht vor der Mittagshitze gesucht hatte. Es handelt sich um Herrn Raharjo, einen Verwandten des Adhipati von Bandung.
    Auch auf mehreren Feldern in der Umgebung von Weltevreden gerieten von der Hitze ausgedörrte Sträucher sowie einige Schuppen in Brand. Man hofft auf die Regenzeit, die der ständigen Feuersgefahr ein Ende bereiten wird.
    Die nächsten Tage und Nächte erschienen Anna Lisa wie ein seltsamer, gespenstiger Traum. Sie wurden versorgt wie zuvor, man brachte ihnen die üblichen Mahlzeiten aufs Zimmer, aber die Tür zur Treppe war versperrt. Zeebrugges Warnung gehorchend, hielten sie sich fast ausschließlich in ihrem Zimmer auf, nur zweimal am Tage ging Simeon mit Tietjens hinunter und drehte eine Runde mit ihr um die Lichtung. Er musste jedes Mal an die Tür klopfen, damit ein Diener erschien und sie öffnete, aber er machte nie eine Bemerkung über diesen doch sehr ungewöhnlichen Zustand. Er nahm es einfach hin. Tagsüber saß er in dem kleinen Arbeitszimmer und zeichnete weiter an seinem Herbarium, als sei nichts geschehen, während Anna Lisa im Bett lag und versuchte, mit ihrem Schrecken, ihrer Trauer und ihrer Furcht fertigzuwerden. Gesine tat ihr Bestes, sie zu trösten, indem sie ihr von allen möglichen Morden und schrecklichen Unglücksfällen

Weitere Kostenlose Bücher