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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Trägerbalken gesammelt hatte, flammte auf. Der Lack auf den Möbeln warf Blasen und fing zu brennen an. Der beißende Rauch zog in Dongdos Atemwege und zwang ihn zu husten, dicke Schweißperlen überzogen seine schwarze Haut mit ihrem glänzenden Firnis, seine Augen waren gerötet.
    Das gesamte Haus war jetzt gespenstisch erhellt von den Flammen. Die Feuerzungen loderten und leckten außerhalb des Fensters bis zum Dach hinauf. Funken schossen in Fontänen herauf, wenn brennendes Holz von der Wandverkleidung fiel.
    Dongdo sah mit starren Augen zu, wie die Farbe an den Beinen des brennenden Küchentischs erst rotbraun wurde, dann dunkelbraun. Auf den geschnitzten Schnörkeln blähte sich der Lack zu glühenden Blasen auf, die aufsprangen und verkohlten. Dann stand die Tischplatte lichterloh in Flammen. Über dem Tisch stürzte ein schwerer Gegenstand krachend zu Boden – eine massive Lampe, die an der Decke befestigt gewesen war. Als sie zerbrach, floss das Petroleum aus, und der Schwarze schlug mit einem fast jubelnden Aufschrei die Hände zusammen, als der gesamte Raum um den Tisch sich in Sekundenschnelle in eine brausende Feuerwand verwandelte.
    Ungeziefer floh, von der ungewohnten Hitze erschreckt, aus seinen finsteren Verstecken. Dongdo sah Scharen von Kakerlaken davonhasten, gefolgt von ängstlich piepsenden Mäusen. Skorpione flitzten mit gebogenen Schwänzen an der Mauer herab und huschten über die Fensterbretter nach draußen. Zuletzt sprang eine fette Ratte aus ihrem Bau hervor, ein aufgedunsenes Scheusal, so alt und hässlich, als hätte die Seele des Totenhofs in ihr Gestalt angenommen. Ihre funkelnden Äugelein musterten den Eindringling einen Augenblick lang mit fast menschlicher Bosheit, dann, als er ein Stück der zersprungenen Bodenfliesen nach ihr warf, fuhr sie in ein Loch in der Mauer und verschwand ins Freie hinaus.
    Dongdo zog sich vor den schmerzhaft leckenden Flammen zurück. Er spürte die beißende Hitze auf seiner schwarzen Haut, auf Stirn und Wangen, Handrücken und der bloßen Brust, aber er wich nicht aus dem brennenden Raum, ehe er nicht sicher sein konnte, dass Raharjos Leiche dem Zugriff der Holländer für immer entzogen sein würde. Hätte sein Meister es ihm gestattet, so hätte er ihn, ohne zu zögern, über die dunkle Grenze begleitet, aber Raharjo hatte ihm befohlen zu leben.
    Das gesamte Haus stand jetzt in hellen Flammen. Sein Dach knirschte und knackte und sank in der Mitte ein. Von seinem Instinkt gewarnt, sprang Dongdo rücklings zur Küchentür hinaus. Keine Sekunde zu früh: Im nächsten Augenblick brachen die angekohlten Balken mit einem ohrenbetäubenden Krach mittendurch, das Dach stürzte ein, und eine Feuerfontäne schoss in den strahlend blauen Himmel hinauf. Wo vor einer Stunde noch das Hauptgebäude des Totenhofs gestanden war, umloderte nun ein riesiger Scheiterhaufen die sterblichen Überreste des Edelmannes Raharjo.
    Dongdo rannte quer über den verlassenen Hof, hinüber zu seinem Pferd, das der Anblick des Brandes in Angst und Schrecken versetzt hatte. Er löste die Zügel, mit denen es an einen Pfosten gebunden war, und kaum war es frei, galoppierte es mit rollenden Augen und geblähten Nüstern davon. Er brauchte es nicht mehr. Ein Pferd hätte nur das Misstrauen der Späher erweckt, die bald überall um die Wege sein würden, und Dongdo war eine zu auffallende Erscheinung, als dass er sich auf der Landstraße hätte blicken lassen dürfen. Er musste auf verstohlenen Wegen fliehen. Er warf einen letzten Blick zurück auf das Flammengrab seines Herrn, dann schlüpfte er zwischen die Ranken am Wegrand, und auf allen vieren dahinkriechend wie ein Tier verschwand er in der üppigen Vegetation.
    Die Bewohner des Rosenhauses sahen die Flammen und den Rauch, die in der Sonnenglut des Nachmittags ungebändigt in die Höhe schossen. Erst dachte Anna Lisa, es sei Buitenhus, das da brannte, aber Simeon, der einen besseren Orientierungssinn hatte, widersprach. »Es muss dieser verlassene Hof sein. Um den ist es wenigstens nicht schade, aber – horch! Da wiehert ein Pferd!«
    Er stand auf und hinkte eilends zum Fenster. Anna Lisa folgte ihm. Sie sah, wie Raharjos Hengst in die Lichtung preschte, schaumbedeckt, mit rollenden Augen und geblähten Nüstern, und wie zwei Knechte ihr Leben in Gefahr brachten, als sie das völlig verstörte Tier einzufangen versuchten. Schließlich gelang es ihnen, und der erschöpfte Hengst ließ sich in den Stall führen. Schreie

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