Die Traenen des Mangrovenbaums
Angelegenheiten, die Buitenhus betrafen, seien mit Dr. Ascher zu besprechen; im Übrigen wünsche man ihm viel Glück und Erfolg.
Godfrid schnaubte. Nicht, weil sein Bruder keine Einladung ausgesprochen hatte – auf einen Kaffeeplausch mit Simeon und dessen Gattin konnte er gerne verzichten –, sondern weil der Schwachkopf immerhin schlau genug gewesen war, seine Angelegenheiten in die Hände eines Rechtsanwaltes zu legen. Außerdem schafften ihm, wie er in den nächsten Wochen feststellen musste, die Behörden ebenso viele Probleme wie die Einheimischen. Godfrid machte die Erfahrung, dass die meisten Beamten erst einmal die Hand aufhielten, ehe sie etwas unternahmen – etwa die Quarantäne aufzuheben. Die Einheimischen wieder zeigten sich unerklärlich widerwillig, selbst für anständigen Lohn auf Buitenhus zu arbeiten; auf Umwegen erfuhr der Besitzer, dass das Gut seit Herrn Raharjos Tod und dem Gericht über seine Mörder als verflucht galt, kein Javaner würde es freiwillig betreten. Godfrid geriet bald in eine so missliche Situation, dass er das Gespräch mit Simeon suchte. Der jedoch weigerte sich höflich, aber bestimmt, in irgendeiner Weise behilflich zu sein; er mische sich nicht in fremde Angelegenheiten, und für seine rechtliche Vertretung sei sein Anwalt zuständig. Godfrids Laune verschlechterte sich noch weiter, als er feststellte, dass dieser Rechtsanwalt ein mit allen Wassern gewaschener Bursche war, der ihm noch jede Menge Schwierigkeiten machen konnte. Und aus diesem Verdruss heraus beging er den folgenschweren Fehler, seine Mutter zu besuchen und sich bei ihr zu beklagen, dass Simeon ihm wieder einmal Steine in den Weg legte. Madame Lafayette fühlte sich veranlasst zu handeln.
Gesellschaftliche Ereignisse waren eine Seltenheit, wenn man abseits der Stadt lebte und obendrein wie die Vanderheydens von der gemeenschap geschnitten wurde. Simeon störte das nicht weiter, aber Anna Lisa freute sich von Herzen, als ein Diener Edgar Zeebrugges ihr eine Einladung überbrachte. Dessen Hauswart heiratete, und das Ereignis sollte gebührend gefeiert werden mit allen Vergnügungen, die ein javanisches Dorffest zu bieten hatte: der Musik eines Gamelan-Orchesters, einem traditionellen Puppenspiel und jeder Menge heimischer Leckerbissen. Anna Lisa hatte noch nie ein solches Fest erlebt und war gespannt wie ein Kind vor seinem ersten Besuch auf der Kirmes.
Es tat ihrem Vergnügen keinen Abbruch, dass Zeebrugge, der sich als guter Nachbar erweisen wollte, auch den neuen Herrn von Buitenhus eingeladen hatte. Sie empfand keine Abneigung gegen Godfrid. Was die geschäftlichen Angelegenheiten anging, musste er sich mit Dr. Ascher herumstreiten, und privat konnte sie es durchaus einen Nachmittag mit ihm aushalten. Simeon war derselben Meinung. Er hatte seinem Halbbruder zwar jede Hilfe verweigert, aber nicht aus Bosheit; er hatte Godfrid zu erklären versucht, dass er sich als Gast in Herrn Raharjos Haus nicht in die Angelegenheiten der Javaner mischen könne und sonst nicht viel vermöge. Die Brüder hatten sich nach diesem Gespräch in einer Art kaltem Frieden voneinander getrennt.
Man brachte sie in der Sänfte des Rosenhauses zu der nahe bei Herrn Zeebrugges Haus gelegenen Festwiese. Pahti war zu Hause geblieben, weil auch Tietjens zu Hause bleiben musste – ihr Erscheinen auf einem Dorffest hätte eine Massenpanik ausgelöst. Aber Simeon versprach ihr, von allen Leckerbissen eine Kostprobe mitzubringen.
Für gewöhnlich nahm Tietjens es gelassen hin, wenn sie mit ihrem persönlichen Diener allein bleiben musste. Aber diesmal verhielt sie sich seltsam. Als Simeon ihr Lebewohl sagte, stellte sie sich auf die Hinterbeine, legte ihre riesigen Tatzen auf seine Schultern und stieß ein so schauerliches Geheul aus, dass nicht nur die Einheimischen im Hause erschraken. Auch Anna Lisa fuhr es wie ein Stich durchs Herz. Sie hatte gehört, dass Hunde Unheil vorausahnten. Und so, wie Tietjens heulte, musste es ein entsetzliches Unglück sein, das sie erwartete.
Simeon nahm das böse Omen nicht ernst. Er tätschelte der Hündin den Kopf und sagte: »Nun stell dich nicht so an, min Meisje , weil ich ein paar Stunden weggehe; ich komme ja wieder. Geh jetzt auf deinen Platz.«
Tietjens gehorchte mit sichtlichem Widerwillen.
Auf der Festwiese hinter Zeebrugges Haus herrschte bereits lebhafter Betrieb, als die Vanderheydens ankamen. Das Gamelan-Orchester spielte, und Anna Lisa stellte fest, dass der javanische
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