Die Traenen des Mangrovenbaums
Eindruck zu machen.
Simeon, der sich seit seiner Verlobung beträchtlich wohler fühlte als bisher, lachte. »Aber Vater, ich brauche mich nicht darum zu bemühen. Ich bin glücklich. Sie ist ein gutes und schönes Mädchen mit einem feinen Charakter; ich hatte meine Zweifel, aber jetzt bin ich sehr zufrieden mit deiner Wahl.«
Bartimäus war noch nicht ganz beruhigt. »Du musst ihr so schnell wie möglich ein Kind machen«, mahnte er. »Wir warten auf einen Stammhalter.« Ihm war nämlich in einer der langen, düsteren Stunden, die er mit Grübeln über seine Familienschande verbrachte, der Gedanke gekommen, dass Simeon einen Sohn zeugen mochte, in dem ein besseres Erbe durchschlug. Er selber war noch nicht so alt, er konnte es erleben, dass der Enkel zu seinem Nachfolger heranwuchs. Besorgt fragte er: »Wirst du das zustande bringen?«
»Mach dir darum nur keine Sorgen, Vater.« Die Augen des Jünglings blitzten vor Schalk. Tatsächlich konnte Simeon es kaum erwarten, diesen Teil seiner Pflichten zu erfüllen. Seine ständig schwelende Lüsternheit hatte angesichts der schönen Braut ihren Siedepunkt erreicht. Er fühlte sich von Anna Lisa körperlich ebenso sehr angesprochen wie seelisch. Ihre zarten Glieder, das weiche kastanienbraune Haar, die kindlichen Züge … nein, es würde ihm nicht schwerfallen, sie zu lieben. Und sie hatte ja gesagt, dass sie ihn ebenfalls schön fand, das machte alles noch viel leichter. Sensibel, wie er war, hätte er es nicht übers Herz gebracht, sich einer Frau aufzudrängen, der er widerwärtig war.
Wenn er allein war, gab er sich bis zur körperlichen Erschöpfung der Lust hin, die von jedem Gedanken an Anna Lisa neu angefacht wurde. Dabei hatte er ein schlechtes Gewissen, denn über das Notwendigste hinaus wusste er auch nicht viel von der Liebe, er hatte nur gehört – und vor allem von seiner Mutter gehört –, dass Frauen die Begierde der Männer als eine grobe Misshandlung empfanden. Mevrouw Beatrix hatte den schlimmen Fehler begangen, ihren unreifen und unaufgeklärten Sohn zu ihrem Vertrauten zu machen, wo es um ihren Widerwillen gegen den rücksichtslosen Gatten ging. Zwar hatte sie prüde Zurückhaltung geübt, was konkrete Einzelheiten anlangte, sodass der Knabe kaum verstand, wovon sie eigentlich redete – aber was er verstanden hatte, war ihr überwältigender Groll und ihr Abscheu. Er hatte sich geschämt, derselben elenden Spezies anzugehören wie sein Vater. Treuherzig hatte er der weinenden Mutter versprochen, dass er niemals eine Frau auf diese Weise kränken würde. Und er war entsetzt gewesen, als er mit zwölf, dreizehn Jahren, als Mevrouw Beatrix schon tot war, feststellte, dass derselbe Dämon in ihm hauste wie in seinem Vater. Er hatte alles versucht, aber alles vergebens. Wenn er das Drängen ignorierte, machte der Quälgeist sich im Schlaf über ihn her. Wenn er ihn zu beschwichtigen suchte, indem er nachgab, wurde er nur immer unersättlicher wie ein verzogenes Tier, das gewohnt ist, für sein lästiges Drängen mit Leckerbissen belohnt zu werden. Und das Schlimmste war, dass er das Teufelsding bei allem Abscheu bewunderte, ja verehrte, wie man die schreckliche Kraft eines Menschen fressenden Tigers oder die fürchterlichen Windungen der Anakonda bewundert.
Er befürchtete, dass er Anna Lisa lästig fallen würde, und um sein schlechtes Gewissen zu beschwichtigen, versprach er seiner Braut in Gedanken, dass sie es gut bei ihm haben sollte – sehr gut, so gut wie Tietjens, der er ja auch keinen Wunsch abschlug.
Dann erwachte Anna Lisa eines Morgens und sah, dass ihr Hochzeitstag angebrochen war. Ein paar Stunden noch, und aus Fräulein Anna Lisa Lobrecht würde Mevrouw Anna Lisa Vanderheyden geworden sein.
Es war ein wunderbarer Tag, wie Hamburg ihn seinen Bewohnern nur selten gönnte. Schon am frühen Morgen blitzte der Himmel blau und wolkenlos, eine freundlich leuchtende Sonne stieg über den Horizont. Kaum ein Windhauch wehte. Anna Lisa fiel ein Stein vom Herzen, denn schlechtes Wetter hätte sich sehr übel auf die Festlichkeiten ausgewirkt. Diese fanden nämlich nur teilweise im Inneren des Hauses statt. Damit es nicht aus allen Nähten platzte, hatte man auf den weiten Rasenflächen des Parks etliche Gourmet-Zelte aufgestellt, aus deren Inneren der Duft von gebratenem Fleisch und frischem Gebäck, Suppen und Süßspeisen drang. Auch spielte eine Kapelle im Freien; für sie hatte man einen mit Wimpeln geschmückten Kiosk errichtet,
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