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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Wichtigem beschäftigt. Sie lernte reiten. Auf Java, hatten die Vanderheydens sie gewarnt, waren befestigte Straßen rar, man verbrachte viel Zeit im Sattel. Also widmete sie sich täglich mehrere Stunden lang der neuen Kunst, und sie machte rasche Fortschritte. Vorausgesetzt, das Pferd war fromm und der Weg nicht allzu steil und steinig, machte Anna Lisa bereits eine recht gute Figur im Sattel.
    Die zweite wichtige Aufgabe war das Erlernen der holländischen Sprache. Ihre Hauslehrerinnen hatten ihr Englisch und Französisch beigebracht, beides Sprachen, die ihr leicht von der Zunge gingen. Sie fand, dass die Sprache ihres Gatten nicht schwierig zu erlernen war, allerdings viele Wörter enthielt, über die sie lachen musste, weil sie so komisch klangen, wie »bellen« für »anklingeln« oder »verkocht« für »verkauft«.
    Außerdem musste sie sich auf die Suche nach einer neuen Zofe machen. Mette hatte lieber gekündigt, als sich den Gefahren einer Reise in ein fernes und obendrein heidnisches Land auszusetzen. Simeon hatte ihr geraten, sich ein tüchtiges, in Reisen erfahrenes und am besten etwas älteres Mädchen zu suchen. Eine Kaffeeplantage in Java sei kein Platz für ein Zimperlieschen. Also gaben im Hause Lobrecht die Stellung suchenden Mädchen einander die Klinke in die Hand. Es war nicht leicht, eine passende Person zu finden, aber schließlich traf Anna Lisa die Entscheidung, ein Fräulein Pia Bertram anzustellen. Das war eine hagere, etwas kurzsichtige, ernste und tüchtige Person Ende zwanzig, die bereits für Missionare in Afrika und Australien gearbeitet hatte. Sie war stets bescheiden gekleidet und trug ihr schwarzes Haar in einem strengen Knoten.
    Auch in Amsterdam war man mit Vorbereitungen beschäftigt. Simeon hatte als Kammerdiener bisher einen der Diener des Hauses gehabt; an dessen Stelle nahm er einen etwas seltsamen Mann unbestimmten Alters an, den einer der Kapitäne ihm empfohlen hatte. Dieser Mann, mit Namen Pahti, war ein gebürtiger Sundanese, wie man die Bevölkerung von West-Java nannte. Zierlich, mager, faltig, mit kurz geschorenem weißem Haar und einem Ziegenbärtchen, war er ein geschickter und in vielen Notwendigkeiten erfahrener Bursche. Vor allem sprach er außer Deutsch, Englisch und Holländisch die Hauptsprachen Javas, Basa jawa, Basa sunda und Malayalam sowie den weit verbreiteten westjavanischen Dialekt Banten.
    Simeon war vom ersten Tag an sehr zufrieden mit ihm. Er war leise, sauber, zuverlässig und sehr höflich – und er brachte Tietjens die unterwürfige Verehrung eines Mannes entgegen, in dem unter einer dünnen Schicht aufgepfropften Islams der urtümliche Geisterglaube des Inselreiches lebendig war. Die Abangan, deren Glaubensrichtung der Diener angehörte, hatten viele Vorstellungen der alten javanischen Religion bewahrt. Obwohl sie sich nach außen hin zum Islam bekannten, waren sie im Grunde immer noch Animisten – Gläubige, die jeden Baum, jeden Stein, jeden Fluss und jede Feuerflamme als beseeltes, ja göttliches Wesen ansahen, am meisten aber die Tiere. Das bedeutete freilich auch eine ständige Angst vor Geistern, die sich in allem und jedem verbargen. Sie lauerten selbst in leblosen Gegenständen. Die Abangan fürchteten sich vor Blutsaugern und Totengeistern, vor allem aber vor Werwölfen – die bei ihnen, wo es keine Wölfe gab, Wer-Jaguare und Wer-Tiger waren –, und sie hatten von den Mohammedanern den Glauben an Dschinn übernommen. Es erschien Pahti nicht weiter sonderbar, dass sein neuer Herr einen dienstbaren Dämon in Hundegestalt beschäftigte; ihm war nur wichtig, Tietjens’ Wohlwollen zu gewinnen. Wenn er mit ihr sprach, machte er den slamat, indem er beide Hände gefaltet anhob bis zu seiner tief niedergebeugten Stirn, und brachte ihr bei jeder Gelegenheit kleine Opfer in Form von Leckerbissen und Liebkosungen dar.
    Bartimäus Vanderheyden war für gewöhnlich ein sparsamer Mann, wie es einem erfolgreichen Handelsherrn anstand, aber bei seiner Beteiligung an den Kosten der Hochzeit ließ er sich nicht lumpen. Er litt seit Langem unter der fixen Idee, Simeons unmännliche Vorliebe für die Botanik hätte diesen in den Ruch gebracht, ganz allgemein zur Ehe untauglich zu sein, und hoffte durch eine prunkvolle Hochzeit den guten Ruf seines Sohnes wiederherzustellen. Während ein Schiff eine Kiste voll Gulden nach Hamburg transportierte, nahm er sich den Jüngling vor und schärfte ihm ein, unter allen Umständen einen glücklichen

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