Die Traenen des Mangrovenbaums
Erleichterung des alten Bartimäus machte er einige frivole Bemerkungen des Inhalts, dass er fest damit rechne, in einem Jahr zur Taufe eines Stammhalters nach Hamburg zurückkehren zu können. Er werde es jedenfalls an nichts fehlen lassen, um dieses Ziel zu erreichen! Die schon leicht angetrunkenen Männer lachten laut und klopften ihm auf die Schultern. Anna Lisa errötete, lächelte jedoch, als er ihre Hand nahm und küsste. Sie fröstelte ein wenig, als er bei diesem Kuss mit der Zungenspitze zwischen ihre Finger fuhr, und wusste nicht, ob sie lachen oder die Hand wegziehen sollte.
Die folgenden Stunden zogen in einem Wirbel erregender Eindrücke an der jungen Braut vorbei. Das endlose Essen, bei dem sich der Tisch unter immer neuen Köstlichkeiten bog, das Geschwätz und Gelächter rundum, die zahllosen Glückwünsche … Überwältigende Gerüche feuerten ihren Kopfschmerz an. Die Parfüms der versammelten Damen mischten sich mit dem Duft der riesigen Blumenbouquets, dem Zigarrenrauch und dem kräftigen Aroma des Essens zu einer atemberaubenden Symphonie. Mehrere Fotografen waren bestellt worden, um das Ereignis festzuhalten. Ein Magnesiumblitz nach dem anderen erhellte den ohnehin bereits von Lichtern strahlenden Saal, und zu allem anderen mischte sich der Geruch des verbrannten Pulvers mit den in der schwülen, völlig übersättigten Luft wabernden Dünsten. Anna Lisa schloss die Augen. In ihrem Kopf dröhnte ein Hammerwerk.
Zweifellos war das alles zu viel für sie gewesen. Simeon bemerkte ihr Unwohlsein und fragte leise, ob sie Kopfschmerzen hätte. Als sie nickte, kramte er eine Pillenschachtel aus der Innentasche seines Anzugs, winkte einem der vorbeieilenden Lakaien, ihm ein Glas Sekt zu bringen, und warf die Pille hinein. »Trink«, befahl er. »Dann wird dir besser.«
Sie warf einen misstrauischen Blick auf das perlende Getränk, das beim Zerfallen der Pille eine graugrüne Farbe annahm, gehorchte jedoch. Es schmeckte bitter, und einen Augenblick lang drohte ihr übel zu werden. Sie musste sich zwingen, das Gebräu nicht gleich wieder auszuwürgen, aber als sie das einmal geschafft hatte, wurde ihr von Minute zu Minute besser. Die bohrenden Kopfschmerzen ließen nach. Anna Lisa fühlte sich wieder wohl, allerdings auch so beschwipst, als hätte sie mehrere Gläser Sekt rasch hintereinander getrunken.
»Sie sind ein Wunderdoktor, mein Herr!«, sagte sie. »Was haben Sie mir gegeben?«
Simeon lächelte, gab jedoch keine Antwort auf ihre Frage. Er fasste sie unterm Kinn und sah ihr in die Augen. »Ich bin jetzt dein Ehemann, und wir sagen Du zueinander. Und wir werden nicht allzu lange tanzen, nur einen Tanz oder zwei, denn ich will dir heute noch erklären, wie das mit dem Propheten und den vierzig Jungfrauen war.«
Inzwischen hatten die Gäste bereits angefangen, sich in den Ballsaal zu begeben, aus dem die ersten heiteren Klänge heraufdrangen. Der Park, über den sich nun schon die Dämmerung breitete, war mit chinesischen Lampions illuminiert. Bunt geputzte Menschen strömten in Scharen ins Haus, während andere im Park zu den Klängen der kostümierten Kapelle im Schein der Lampions tanzten. Plötzlich hatte Anna Lisa gar keine Lust mehr zu tanzen, am liebsten wäre sie allein gewesen mit ihrem neuen Ehemann, aber die Höflichkeit verlangte, dass sie zumindest, wie er gesagt hatte, an einem oder zwei Tänzen teilnahmen und sich dann erst entschuldigten.
Hand in Hand schritten sie auf die Treppe zu, die hinunter in den Ballsaal führte.
Üblicherweise zogen die Brautleute zur Hochzeitsnacht in ihr eigenes Haus, aber da ihre Abreise so kurz bevorstand, hatte Elmer Lobrecht das beste Gästezimmer als Hochzeitsgemach einrichten lassen. Das Doppelbett war mit dem schönsten Damast aufgedeckt, im Badezimmer nebenan standen die Kannen bereit, die frischen Handtücher hingen an den Stangen. Ein köstlicher Imbiss wartete, mit einer weißen Serviette bedeckt, auf der Anrichte, im Schränkchen daneben schimmerten hinter der Glastür mehrere Flaschen mit exquisitem Inhalt.
Quer über der Bettdecke aus meergrünem Brokat ausgestreckt ruhte Tietjens, den schweren Kopf auf den Pranken. Sie betrachtete aus Schlitzaugen Pahti, der mit gefalteten Händen vor dem Bett kniete, einen Teller mit Leckerbissen neben sich, und sie mit gedämpfter Stimme anflehte: »Möge die Erhabene sich bitte wegbegeben … es wird großen Ärger geben, wenn man mit dem Brautpaar heraufkommt und die Erhabene hier sieht …
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