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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Leben eines Ehepaares betreffen?«
    »Nun ja. Wenn wir ganz unter uns waren … Einige hatten ältere Schwestern, die schon verheiratet waren, und da … sickerte eben einiges durch. Warum fragst du?«
    »Weil ich darüber nachdenke, dass ich jetzt eben sehr glücklich war, aber nicht weiß, wie es dir ergangen ist. Ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, ob Frauen überhaupt etwas empfinden können dabei. Anständige junge Frauen wie du, meine ich. Dass es Schlampen gibt, die so gierig sind wie ein Mann, das weiß ich natürlich. Aber die normalen Frauen? Soviel ich weiß, erdulden sie alles nur, weil sie sich Hoffnung auf ein Kind machen. Meine Mutter jedenfalls sagte das so. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, weil sie meinetwegen all das Schreckliche leiden musste, aber dann wiederum bin ich glücklich, weil ich denke: Ich war ihr so viel wert, dass sie so bittere Leiden ertragen hat, nur um mir das Leben zu schenken.«
    Anna Lisa wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. Sie konnte sich nicht vorstellen, selbst in eine solch wüste Aufregung zu geraten, wie er sie an den Tag gelegt hatte – dieses Ächzen, Zucken, Keuchen und Augenverdrehen, das erschreckende Ähnlichkeit mit einem Krampfanfall hatte, ihm offenbar aber sehr angenehm gewesen war. Zögernd antwortete sie: »Für mich war es sehr schön, dich zu spüren. Alles an dir ist so angenehm, ich möchte dich immerzu streicheln. Und ich bin froh, dass du nicht mehr verdrossen und unglücklich bist. Ansonsten … Ich weiß nicht. Ich war schließlich noch nie verheiratet, woher sollte ich wissen, wie man sich da fühlt? Vielleicht finde ich es noch heraus.«
    »Du meinst, wenn wir noch weitere Kuchenstücke verkosten?«
    Sie lachte – und war glücklich, dass er ebenfalls lachte.
    In Algier sah sie zum ersten Mal einen afrikanischen Hafen. Die Anne-Kathrin ankerte dort einen Tag und eine Nacht lang, um Kohle für die Maschinen zu bunkern, Vorräte an Bord zu nehmen und die Ratten auszuräuchern. Dr. Semmelbrod und Anna Lisa standen an der Reling und starrten hinunter in das bunte Gewühl, aus dem Wellen von würzigen Düften, aber auch von scharfem Gestank aufstiegen. Zu Dutzenden wimmelten die kleinen Boote der Händler um den Koloss herum, und immer wieder mussten die Matrosen grob mit Tauenden oder Bootshaken zuschlagen, um die Leute daran zu hindern, einfach an Bord zu klettern. Zahllose farbige Kinder trieben sich schreiend und bettelnd um die Landungsbrücke herum und rauften sich um die Groschen, die die reichen Passagiere ihnen vom Promenadendeck der ersten Klasse aus zuwarfen.
    Die afrikanische Hafenstadt bot ein wunderbar buntes Bild mit ihrer Unzahl von Farben und Würzgerüchen und dem teils melodischen, teils ohrenzerreißenden Lärm, der aus den engen Hafengassen heraufhallte. Händler rannten hin und her und boten lockend ihre wundervollen Stoffe und Schmuckstücke an, wobei einer den anderen mit den Preisen unterbot. Die meisten Passagiere lechzten nach der endlosen feuchten Tristesse auf See danach, an Land zu gehen, aber der Kapitän untersagte es ihnen strikt. Die Landebrücke wurde streng bewacht, denn die Gefahr, bei einem Kurzbesuch in der afrikanischen Hafenstadt spurlos zu verschwinden, sei zu groß. Reisende müssten schon sehr gewieft sein, um nicht sofort in einen Hinterhalt gelockt, ausgeraubt und vielleicht sogar als Sklaven verkauft zu werden. Vor allem die Nachfrage nach europäischen Frauen sei stark, erklärte der würdige, weißbärtige Schiffsoffizier mit verlegenem Hüsteln, und er wolle nicht ins Detail gehen, welches Schicksal die Unglücklichen erwartete.
    Dr. Lutter war ebenfalls der Meinung, dass man sich von dem Hafen trotz seiner bunten Pracht besser fernhielt. »Dort unten warten nicht nur sichtbare, sondern auch unsichtbare Schurken auf uns«, sagte er. »Da gedeihen die Erreger, und sobald man in einem Hafen anlegt, überlaufen sie das Schiff. So viel schrubben kann man gar nicht, dass man sie fernhält.«
    Anna Lisa kam aus dem Staunen nicht heraus, wie viel Neues die Welt ihr zu bieten hatte. Sie lauschte angespannt, was Dr. Semmelbrod, der schon viel von der Welt gesehen hatte, über Städte in fremden Ländern erzählte.
    Um ihm zu zeigen, dass sie nicht ganz uninformiert war, was fremde Städte anging, sagte sie: »Mein Vater sagte, Batavia sei eine schöne und sehr europäische Stadt mit Hotels, Kirchen, Schulen und Theatern.«
    »Wie man es nimmt«, antwortete der Pfarrer. »Das trifft

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