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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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nun gefunden, und sie war froh darüber. Sie selbst empfand bei ihrem Zusammensein keine Leidenschaft, aber das hatte sie auch nicht erwartet. Ihr war nur eines wichtig: Sie hatte einen Weg gefunden, ihren Mann glücklich zu machen, und voller Eifer bemühte sie sich, immer neue Zärtlichkeiten zu entdecken, die ihm so wenig Schmerz und so viel Lust wie nur möglich bereiteten. Nur zu einem konnte sie sich nicht überwinden, obwohl er sie geradezu darum anbettelte: Sein steifes Glied in den Mund zu nehmen. Obwohl er ihr immer wieder versicherte, dass die herausspritzende Flüssigkeit nicht unangenehm schmeckte, hatte sie Angst davor, es könnte – da es doch aus derselben Öffnung kam – etwas wie Urin sein, und sie ekelte sich entsetzlich davor. Simeon murrte, und sie musste ihren ganzen Einfallsreichtum aufbieten, um ihn zu beschwichtigen.
    Da es ihm am besten ging, wenn er still lag oder mit aufgestütztem Bein in einem Stuhl saß, musste sie die Initiative übernehmen, aber sie achtete sorgfältig darauf, was ihm gefiel – und stellte fest, dass Dr. Lutter ihr gut geraten hatte: Simeon liebte es, wenn sie sich in Bewunderung erging. Und er war begeistert, wenn sie Bemerkungen machte wie: »Oh, es ist so hart! So wild! Ich habe fast ein wenig Angst davor!« Dann schwätzte und prahlte er, wie andere Männer ihre Reitpferde oder Hunde lobten. Sie war verblüfft gewesen, wie schnell das Zappelding (so nannte sie es bei sich; ihren Mann ließ sie diese Bezeichnung niemals hören) seine Größe und Gestalt wechselte; eben noch ein runzliges Würmchen, schwoll es knüppeldick an und war stark genug, sich dem Druck ihrer Hand zu widersetzen. Sie hatte sich selbst eine alberne Gans gescholten, als sie bei diesem Ereignis unwillkürlich jauchzend die Hände zusammenschlug, aber ihr Gatte hatte es ihr nicht übel genommen, im Gegenteil. Er war entzückt, wenn sie staunte wie ein Kind angesichts eines Zaubertricks.
    Sie war erstaunt, als sie merkte, dass er genau Buch führte. Penibel wie ein Kontorist trug er jedes eheliche Zusammensein in sein silbergefasstes, schwarzledernes Taschenbuch ein. Was das für einen Sinn haben sollte, war ihr schleierhaft, aber ihr Instinkt riet ihr, die Sache stillschweigend hinzunehmen.
    Nur ganz im Hintergrund nahm sie wahr, dass Simeon sich eigentlich sehr wenig um sie kümmerte. Zwar herzte und küsste er sie, und vor allem bedachte er sie mit vielen schönen, zärtlichen Namen, aber ihm lag nichts daran, sie nackt zu sehen, er kümmerte sich nicht um ihre Brüste oder ihren Schoß. Ihr Körper war ihm nur so weit wichtig, als er den seinen liebkoste. Sie hatte allmählich den Verdacht, dass er mit dem Stand der Dinge durchaus zufrieden war. Er klagte nicht darüber, dass ihm seine Verletzung den vollgültigen Vollzug der Ehe fürs Erste unmöglich machte. Solange sie ihn nur streichelte und bewunderte und ihm half, Ekstase und Entspannung zu erreichen, war er zufrieden. Seinetwegen hätte sie noch lange Jungfrau bleiben können.
    Offenbar hatte er ein schlechtes Gewissen deswegen, denn hin und wieder stellte er vorsichtige Fragen. Wenn sie dann antwortete, dass sie nichts vermisste und sie ja noch viele Ehejahre vor sich hatten, in denen diese Dinge gewiss ihren Platz finden würden, war er sichtlich erleichtert. Sprunghaft, wie es seine Art war, konnte er sie dann aufs Zärtlichste küssen, ihr Haar streicheln und sie mit Schmeicheleien überhäufen.
    Ebenso rasch konnte er jedoch zornig oder übellaunig werden, wenn sie ihn in irgendeiner Kleinigkeit gegen den Strich bürstete. Das war der Fall gewesen, als sie ihn, erschrocken über die vielen Narben an seinen Unterarmen und auf den Innenseiten seiner Schenkel, gefragt hatte, ob er die Pocken gehabt hätte. Wer die Pocken durchlitten hatte, das wusste sie, behielt nämlich lebenslang hässliche Narben zurück. Er hatte dies scharf und mürrisch verneint. Krank sei er nicht gewesen, und er wollte in dieser Sache in Ruhe gelassen werden.
    Also hatte sie geschwiegen, jedenfalls ihm gegenüber. Aber sie hatte ihren ärztlichen Vertrauten, Dr. Lutter, um Rat gefragt.
    Der Arzt hatte bei seinen Behandlungen diese Narben natürlich auch gesehen. Er überlegte eine Weile, dann sagte er: »Hatten Sie schon einmal Zahnweh, Frau Vanderheyden?« Und als sie bejahte, fuhr er fort: »Haben Sie damals auch fest auf den schlimmen Zahn gebissen, so fest, dass es schmerzte? Das tun wir doch alle, nicht wahr? Wir versuchen, einen Schmerz mit

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