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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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blassgelbem Satin floss von ihren Schultern bis zu den Füßen, vorne und hinten in eine tiefe Falte gelegt, die mit geblümtem Stoff gefüttert war. Das Hemd darunter war aus weichem, feinem Musselin, so reich bebändert und gefälbelt wie das Taufhemd eines Kindchens. Die zarte Spitze an den Ärmeln hing bis fast zum Boden hinab. Beide jungen Leute hätten in der warmen Nacht sehr gut auf Nachthemden verzichten können, die ohnehin nur ein neues Hindernis bedeuteten, aber nackt ins Bett zu gehen, ganz gleich, was man dort vorhatte, das gehörte sich einfach nicht.
    Anna Lisa stand am Waschtisch und kämmte ihr Haar, das im Schein der niedrig gedrehten Gasbeleuchtung bernsteinfarben schimmerte. Sie fühlte die gierigen Blicke, mit denen Simeon sie betrachtete, und eine nervöse Anspannung machte sich in ihr breit. Er lag still auf dem Rücken, das verstauchte Bein auf das keilförmige Polster gestützt, die Hände über dem flachen Bauch gefaltet, und doch erschien er ihr wie ein sprungbereit zusammengekauertes Raubtier, das sie jeden Augenblick anfallen und verschlingen konnte. Die Anordnungen und Empfehlungen des grünen Heftchens wirbelten wild in ihrem Kopf durcheinander. Mach dich nicht verrückt, ermahnte sie sich selber. Beobachte einfach, was er will, und dann mach es.
    »Wie schön du bist!«, stieß Simeon plötzlich hervor, und sein inbrünstiger Ton verriet ihr, dass er keineswegs nur eine billige Galanterie im Sinn hatte. »Weißt du, als ich dich das erste Mal sah, da dachte ich: Wenn sie eine Blume wäre – welche Blume wäre sie dann? Und ich dachte an eine Schneerose. Alles an dir war so kühl und frisch, so … eben erst aufgeblüht.«
    »Das ist schön zu hören.« Sie beendete ihre Frisur, warf das offene Haar über die Schulter zurück und löschte das Licht. Im Dämmerlicht der Deckbeleuchtung stieg sie vorsichtig ins Bett, ängstlich bemüht, die Matratze nicht zu sehr zu bewegen.
    »Komm zu mir. Näher.« Simeon zog mit einer Hand an ihr, mit der anderen schob er das leichte Deckbett beiseite und zog sein Nachthemd bis zu den Oberschenkeln hoch. »Komm. Ich habe so lange darauf gewartet, mich so danach gesehnt… Komm! Deine Hand!«
    Sie wünschte, er hätte ihr ein wenig mehr Zeit gelassen, aber seine Ungeduld kannte kein Halten mehr. Ängstlich besorgt, nicht an sein verstauchtes Bein zu stoßen, gab sie gleichzeitig seinem Zerren nach, ließ zu, dass er ihre Hand unter das hochgeraffte Nachthemd schob, sie gegen sein heißes, steif aufgebäumtes Fleisch presste. Immerhin blieb ihr die Mühe erspart, sich zu fragen, was sie tun sollte. Er ließ keinen Zweifel an seinen Wünschen. Sie musste sich nur kräftig zusammennehmen, um nicht erschrocken zu gicksen, als er wieder in diese wilden Konvulsionen verfiel und gleichzeitig eine warme Feuchtigkeit sich über ihre Hand ergoss. Gleich darauf lag er still, atmete so tief und ruhig, als sei er eingeschlafen.
    Er war jedoch ganz wach. Kaum eine Minute verging, bis er sagte: »Bitte bring die Waschschüssel und den Lappen.«
    »Gewiss.« Sie schlüpfte aus dem Bett, erleichtert, dass sie ihre Verwirrung hinter einer so alltäglichen Tätigkeit verbergen konnte. Ohne das Licht wieder anzudrehen, füllte sie die Waschschüssel, stellte sie auf den Hocker neben dem Bett und tauchte den Lappen ein. Erst wusch sie ihre eigenen klebrigen Finger ab, dann wusch sie ihren Mann, sanft und sorgfältig. Das kleine wilde Tier, das sich eben noch so heftig gebärdet hatte, war eingeschlafen. Sie fühlte es kaum in seinem Nest aus dunklem Haar.
    Simeon seufzte wohlig.
    Sie räumte die Waschschüssel weg und kehrte ins Bett zurück. Was für eine Erleichterung war das, zu wissen, dass Dr. Lutter ihr einen klugen Rat gegeben hatte! Ihr junger Ehemann war wie verwandelt. Er streckte die Hand aus und streichelte zärtlich ihre Wange. »Ich gebe meinem Vater ja nur ungern recht«, sagte er, »aber seine Idee, mich mit dir zu verheiraten, war nicht die schlechteste. Obwohl er mir in einer ziemlich beleidigenden Weise erklärte, er müsste mir eine deutsche Frau suchen, weil ich in Amsterdam bereits einen zu schlechten Ruf hätte. Findest du das nicht niederträchtig? Wäre ich ein Trinker oder Wüstling, hätte er mich ohne Mühe an die Frau bringen können, aber ein Mann, der Blumen zeichnet …« Dann, als wäre ihm eben etwas eingefallen, wechselte er abrupt das Thema. »Hast du nicht gesagt, du hättest mit deinen Freundinnen über Dinge gesprochen, die das

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