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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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dass seiner illegitimen Abkunft zum Trotz Godfrid der eigentliche Sohn des Hauses war und Simeon der Wechselbalg, den eine böse Fee in die goldene Wiege gelegt hatte. Und was Bartimäus in dunklen Stunden nur träumte und hoffte, gedachte sie zu realisieren – so jedenfalls sah es ihr Sohn.
    »Godfrid«, fügte Simeon nicht ohne boshafte Befriedigung hinzu, »muss ganz schön eng um den Hals zumute sein, wenn er so weit geht, mich persönlich zu warnen. Nun, er hat recht – wenn mir etwas zustößt, wird man als Ersten ihn verdächtigen. Und selbst wenn er ganz unschuldig an meinem Tod wäre, so würde man doch sein Leben lang hinter seinem Rücken munkeln. Persönlich mag ihm das egal sein, aber im Kaffeehandel bringt es ein Mann nicht weit, der für einen Brudermörder angesehen wird.«
    »Hast du Angst vor der Frau?«, fragte Anna Lisa und drückte seine Hand. »Ich meine, hat sie schon einmal versucht, dir etwas anzutun?«
    »Vor einigen Jahren hat sie mir Briefe geschrieben. Hässliche, niederträchtige Briefe, in denen sie mich rundheraus aufforderte, mich auf die eine oder andere Art aus dem Staub zu machen, am besten für immer. Mein Vater oder Godfrid haben dieser Korrespondenz rasch ein Ende gemacht, als es herauskam. Seit damals habe ich nichts mehr von ihr gehört. – Ob ich Angst vor ihr habe?«, wiederholte Simeon dann in einem Ton, als stellte er die Frage sich selber und müsste erst über eine Antwort nachdenken. »Ich weiß nicht. Da sie so ferne ist, erschien sie mir immer wie eine märchenhafte böse Fee, nicht als reale Person. Aber wenn ich in derselben Stadt wohne wie sie, wird das wohl anders aussehen.«
    Er runzelte die Stirn, und Anna Lisa merkte, wie ein bisher schemenhaftes Unbehagen in ihm Gestalt annahm. Rasch wandte sie ein: »Wir werden ja nicht direkt in Batavia wohnen, sondern ein ganzes Stück entfernt in Buitenhus, und empfangen werden wir sie auf keinen Fall. Sie wird sich wohl auch hüten, uns nahe zu kommen. Godfrid sagte, er würde ihr schreiben, dass er dich gewarnt hat. Das ernüchtert sie vielleicht, sagte er.«
    »Wenn jemand erst einmal hinreichend verrückt ist, nützt auch kein Ernüchtern mehr«, widersprach Simeon. »Aber du hast recht, in Buitenhus wird sie uns kaum einen Besuch abstatten.« Dann, abrupt das Thema wechselnd, fragte er: »Welchen Eindruck hattest du von Godfrid?«
    Sie spürte die Fußangel in seiner Frage, beschloss jedoch, ehrlich zu sein. »Er ist zweifellos eine starke Persönlichkeit, das merkt man sofort. Aber sonst kann ich nicht viel zu ihm sagen, ich sprach ja nur sehr kurz mit ihm, und der Inhalt des Gesprächs interessierte mich naturgemäß mehr als seine Person.«
    »Ja, gewiss«, murmelte er. Offenbar hätte er es lieber gehört, wenn sie Godfrid ein Scheusal genannt hätte. Aber warum sollte sie das tun? Der junge Mann hatte sich überwunden, eine sehr unangenehme Pflicht zu erfüllen, zweifellos auch aus persönlichem Interesse, aber doch bemüht, Schaden von seinem ungeliebten Halbbruder abzuwenden. Nein, ihr schien, dass die Feindseligkeit zwischen den beiden ungleichen Söhnen des alten Bartimäus wirklich nur daher stammte, dass ihre Gaben so unglücklich verteilt waren.

Ein Mordkomplott
    M adame Delphine Lafayette bereitete sich sorgfältig auf ihr Rendezvous vor, auch wenn es keines von denen war, die in ihrem kostbar ausgestatteten Boudoir endeten. Obwohl sie bereits in den Vierzigern war, zog sie immer noch die Blicke der Männer auf sich. Ihre hoch geschwungenen Augenbrauen waren säuberlich gezupft, vor allem über der Nase, wo sie dazu neigten zusammenzuwachsen, und sie pflegte sich sorgfältig. Porzellanglatte Schminke bedeckte ihr Gesicht und vertuschte die verräterischen Fältchen um die Augen, den leicht gekräuselten Saum der Lippen. Das schwarz gefärbte, seidenglatte Haar war in der Mitte gescheitelt und über den Ohren zu gedrechselten Locken gebauscht, steif wie schwarze Sägespäne. Ob sie echt waren, wussten nur Madame selbst und ihre verschwiegene chinesische Zofe, die einzige Person, der die Französin sich jemals ohne die vielfach gerafften, gefalteten und gesmokten Kleider und Unterröcke, die zierlichen Stiefel, die extravaganten Hüte zeigte. Ihr Mund war kunstvoll rot geschminkt. Die gelben, blutlosen Nägel an ihren Händen waren oval geschnitten und gefeilt, hatten aber dennoch etwas von Hühnerkrallen an sich.
    Sie hatte sich in ein für ihre Begriffe sehr diskretes Kleid aus kobaltblauem

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