Die Träume der Libussa (German Edition)
schüttelte
den Kopf. „Die Bauern der Stämme werden mit in den Kampf ziehen. Sie haben
schon immer gekämpft, wenn sie ihr Land verteidigen mussten. Wenn ich sie
anführe, dann folgen sie mit größerer Begeisterung. Ich werde als Fußsoldat
kämpfen und einer von ihnen sein, denn als solcher bin ich geboren.“
Das Entsetzen
lähmte sie einen Augenblick. Dann fuhr sie zornig auf: „Das Fußvolk stirbt in
jedem Kampf zuerst. Warum willst du dein Leben gefährden?“
„Ich kann mich
jetzt nicht in einen Krieger verwandeln. Ich muss kämpfen und werde es an der
Seite meiner Leute tun.“
Sie sprang auf.
„Du gehörst schon lange nicht mehr zu den Bauern. Du bist mein Gefährte, den
die Götter geschickt haben. Warum willst du dein Leben mehr gefährden als
notwendig? Bin ich dir gleichgültig? Die Jahre, die wir zusammen verbracht
haben, unsere Kinder und unsere Siedlung, bedeutet dir das nichts? Deine
Dickköpfigkeit ist stärker als alles, was uns jemals verbunden hat. Geh und
bring dich um, wenn du es nicht lassen kannst!“
Er erhob sich
langsam. „Es ist nicht möglich, vernünftig mit dir zu reden, Libussa. Ich werde
diese Nacht in einem anderen Raum schlafen. Wir besprechen das alles morgen.“
Sie wollte ihre
Wut laut herausschreien, als er hinausging, aber der Stolz verbot es ihr. Dann
dachte sie an die vielen einsamen Nächte, die noch folgen würden. Auf ihrer
Bettstatt zusammengerollt versuchte sie in den Schlaf zu flüchten. Vielleicht
würde sich alles nur als ein böser Traum erweisen, wenn sie am nächsten Morgen
wieder erwachte.
7
Mnata saß abseits vom Lagerfeuer
am Ufer des Flusses, den die Sachsen Weser nannten, und dachte zum ersten Mal
seit Jahren wieder an die Krieger seiner Horde. Also waren sie doch Menschen
gewesen und keine Dämonen, wie ihm jetzt endgültig klar geworden war, als er
selbst das Kriegshandwerk hatte ausüben müssen. Wann kam der Augenblick, da das
Töten zur Gewohnheit wurde, so dass man nichts mehr dabei empfand? Hatten auch
die Männer seiner Horde nach ihrer ersten Schlacht verzweifelt versucht, sich
das Blut von den Händen zu waschen, und dabei das Gefühl gehabt, es klebe bis
in alle Ewigkeit auf ihrer Haut, ganz gleich, wie sehr sie daran rieben? Erst
Vlasta hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass es seine eigenen Wunden waren,
aus denen ein beständiger roter Strom floss, und eine sächsische Heilerin für
ihn herbeigeholt.
Vlasta hatte
darauf bestanden, an der Seite ihrer Eltern mit in den Kampf zu ziehen, und
ihren Kopf wie gewöhnlich durchgesetzt. Während des langen Ritts zu den Sachsen
hielt sie alle mit Zuversicht und Tatendrang bei Laune: Als echte Helden würden
sie zurückkehren, nachdem sie den hochnäsigen Kuttenträgern Respekt vor den
alten Göttern beigebracht hätten, meinte sie.
Als sie endlich
das Land der Sachsen erreicht hatten, war tatsächlich alles leichter gegangen,
als sie je zu träumen gewagt hatten. Sie griffen dort von den Franken besetzte
sächsische Siedlungen an, und der schwache Widerstand jener fränkischen
Kämpfer, die zum Schutz der Siedlungen abgestellt waren, konnte schnell
gebrochen werden. Der Großteil der Bevölkerung bekannte sich freudig wieder zu
den alten Göttern, und der erste christliche Priester starb durchbohrt von
Speeren. Als man einen fränkischen Edeling von den Mauern der Burg warf,
übertönte der Jubel der Menge seinen Todesschrei. An einem Ort
namens Bremen wurde dem Edeling Gerwall und seinen Anhängern die Wahl gelassen,
entweder ihren Christengott zu verfluchen oder dem großen Thor, den die Sachsen
verehrten, als Opfergabe dargebracht zu werden. Die Idee, einen christlichen
Priester ans Kreuz zu nageln, hatte man allerdings nur einmal in die Tat
umgesetzt, denn sein elendes Schreien störte die Nachtruhe im Lager.
Als
Kundschafter dann allerdings die Nachricht brachten, ein Heer des Grafen
Theoderich rücke an, erteilte Widukind, der Anführer der Sachsen, seinen
Kriegern den Befehl, in geordneter Schlachtreihe aufzumarschieren. Das war
ungewöhnlich, denn bisher hatten sie stets unerwartet aus dem Hinterhalt
angegriffen, wie es bei den Sachsen und auch bei den slawischen Völkern üblich
war. Mnata ritt hinter Krok an Vlastas Seite und fragte sich, wie lange das
Heer Theoderichs brauchen würde, um sie niederzumähen. Dann tauchten die ersten
feindlichen Krieger auf, die mit gellenden Schreien ihre Waffen schwangen. Er
hörte Hörner zum Angriff blasen. Mnata griff nach dem
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