Die Träume der Libussa (German Edition)
der
anwesenden slawischen Völker, die dabei geholfen hatten. Krok, Dragoweill und
der Anführer der polnischen Krieger nickten, um die Anerkennung
entgegenzunehmen.
„Die Aborditen
sind noch nicht eingetroffen“, flüsterte Vlasta Mnata ins Ohr. „Was werden die
sich ärgern, die entscheidende Schlacht verpasst zu haben.“
Mnata leerte
seinen Krug. Vlastas Angewohnheit, bei wichtigen Reden dazwischenzuplappern,
störte ihn, doch er wusste, dass es keinen Sinn hatte, sie zu ermahnen.
„Libussa wird froh sein, zu hören, dass wir gesiegt haben“, sagte er, als
Widukind seine Rede beendet hatte. Der große, rothaarige Sachsenfürst setzte
sich neben Geva, seine dänische Gemahlin. Mnata überlegte, warum die Dänen an
dem Kampf nicht teilgenommen hatten, doch jetzt schien das unwichtig.
„Libussa sitzt
in Praha und betet zu den Götter, dass wir gesund zurückkehren“, meinte Vlasta
spöttisch. „Doch wir haben nicht nur überlebt, sondern gesiegt.“
Sie stand auf
und hob ihren Krug. „Auf den Kampf. Er gefiel mir ... na ja, die meiste Zeit.“
Die anwesenden
Männer jubelten ihr zu. Begehrliche Blicke hingen an Vlasta, und auch Mnata
musste zugeben, dass sie betörend aussah, nun da ihr Gesicht von Blut und
Schmutz befreit und sie in eines jener festlichen Gewänder geschlüpft war, die
sie nur ungern trug. Denn anders als ihre Mutter schien Vlasta nicht gefallen
zu wollen. Ihren großen, muskulösen Leib betrachtete sie in erster Linie als
Waffe, so wie Krieger es taten.
Mnata hatte an
Vlastas Seite das Kämpfen gelernt. Sie hielt stets zu ihm, wenn er als
dreckiger Awar beschimpft wurde. Niemand konnte ihm ein besserer Freund sein
als dieses Mädchen, doch sie weckte keine anderen Sehnsüchte in ihm.
„Wo ist
eigentlich Premysl?“, wandte er sich nun an sie. Vlasta zuckte mit den
Schultern.
„Bei dem
Fußvolk, wo er unbedingt sein wollte“, erwiderte sie. „Er feiert dort sicher
auch unseren Sieg. Das heißt, nein, Krok sagte etwas davon, dass er die
Gefallenen bestatten will. Als ob das nicht bis morgen Zeit hätte! Beim Donner
Peruns, das ist der schönste Abend meines ganzen Lebens.“ Wieder nahm sie einen
tiefen Schluck Met und begann mit einigen Kriegern, die Ereignisse der Schlacht
in farbigsten Schilderungen auszumalen. Mnata ahnte, dass das jetzt so den Rest
des Abends weitergehen würde. Eine tiefe Müdigkeit überfiel ihn, und er
beschloss, nach Premysl zu sehen. Niemand bemerkte, dass er den Saal verließ.
Auch das
Fußvolk hatte sich die Gelegenheit zu einem ausschweifenden Fest nicht entgehen
lassen. Er hörte die lauten Stimmen der Sachsen, deren Sprache ihm rau
erschien. Sie tanzten mit ihrem Weibsvolk, und überraschte Blicke musterten
ihn. Er stieß auf einen Mann im bestickten Hemd der Slawen, ein Wilze, wie sich
herausstellte, der ihm bereitwillig den Weg zu der Stelle wies, wo man die
toten Bauern bestattete.
Premysl stand
inmitten seiner Leute und zündete mit einer Fackel die aufgebahrten Leichname
an. Noch nie hatte Mnata den Mann, der sein Vater geworden war, derart
niedergeschlagen gesehen. Er trat auf ihn zu und wurde zu seiner Überraschung
vor allen Anwesenden so kräftig von ihm umarmt, dass er einen Augenblick keine
Luft bekam. „Den Göttern sei Dank, dass du wohlauf bist, Junge. Ich habe mir
Sorgen gemacht, wie du das alles überstehst.“
Mnata sah ihm
in die Augen und erkannte darin jenes Grauen, das ihn selbst auf dem
Schlachtfeld kurz überkommen hatte.
„Lass uns eine
Weile unter vier Augen sprechen“, murmelte Premysl dann. Er entschuldigte sich
bei seinen Leuten und zog Mnata zu einem nahen Baum. Dort lehnte er sich gegen
den Stamm und sank langsam in die Knie. „Als sie diesen armen Kuttenträger ans
Kreuz nagelten, da wollte ich umkehren“, flüsterte er heiser. „Es konnte kein
guter Krieg sein, den wir da führen. Nicht mit diesen Mitteln.“
Mnata nickte.
„Krok wird es auch nicht gefallen haben. Aber es ging in unserem Kampf um eine
wichtige Sache.“
„Das habe ich
mir schon auch gesagt“, erwiderte Premysl. „Dank der Wilzen, die sich mit den
Sachsen verständigen können, habe ich erfahren, wie es ihnen in den letzten
Jahren ergangen ist. Der Frankenkönig zwingt ihnen seinen christlichen Glauben
auf und will ihre uralten Sitten verbieten. Wenn sie leben wollen, dann so, wie
er es ihnen vorschreibt. Aber heute, während der Schlacht…“
Er musterte
Mnata mit weit aufgerissenen Augen. „Ich habe noch nie Derartiges
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