Die Träume der Libussa (German Edition)
Schwert und stieß den
Schlachtruf aus, so wie Krok es ihn gelehrt hatte. Alles war in diesem
Augenblick einfach und klar: Er musste töten oder sterben. Gemeinsam mit Vlasta
hieb er auf die Gegner ein, hob sein Schild, wich feindlichen Waffen aus und
stieß zu, sobald er eine Gelegenheit sah. Sein Verstand wurde zu einem Pfeil,
der nur noch auf ein Ziel gerichtet war. Entwaffnen. Verletzen. Töten. Nichts
anderes hatte mehr Bedeutung. Gelegentlich sah er sich nach Vlasta um, doch sie
schlug sich wacker. Was ihr im Vergleich zu den Männern an Körperkraft fehlte,
machte sie durch Geschick und Schnelligkeit wett. Doch irgendwann ging es nur
noch um ihn selbst, der sich durch eine Masse feindlicher Klingen und Körper
schlug. Der Feind war wie ein dichtes Gebüsch, durch das er sich mit seinem Schwert
hackte, bis ein wahres Fieber von ihm Besitz ergriff und ihn zu einem
brüllenden Dämon der Zerstörung machte.
Und dann war es
plötzlich vorbei.
Er saß schwer
atmend mitten unter den Toten, den schreienden Verwundeten, den nur noch leise
Stöhnenden und schließlich ein paar verzweifelten Gestalten, die vom
Schlachtfeld zu kriechen versuchten, um dem tödlichen Hieb zu entkommen. Am
Horizont sah er, wie die letzten feindlichen Krieger flohen, so schnell ihre
Füße sie tragen konnten. Mnata umarmte den Hals seines zitternden Pferdes, das
ebenso blutüberströmt war wie er selbst. Es war in den vergangenen Stunden sein
engster Verbündeter gewesen und hatte ihm das Leben gerettet, indem es trotz
seiner schweren Wunden durchgehalten hatte. Er spürte eine tiefe Liebe zu dem
Tier und musste unwillkürlich an Kazi denken, der die Tiere näher standen als
die Menschen. Eine schmerzhafte Sehnsucht nach dem Leben in Praha erfüllte ihn.
Er ließ seinen
Blick, der langsam klarer wurde, über das Schlachtfeld wandern. Einige Krieger
stachen mit Speeren auf die sich noch rührenden Franken ein. Er schloss die
Augen, denn auf einmal wollte er keine Menschen mehr sterben sehen. Dann fielen
ihm jene ein, die ihm wichtig waren. Mühsam rappelte er sich auf, und es kam
ihm vor, als würde er erneut von feindlichen Speeren durchbohrt, so stark
schmerzten ihn unzählige Wunden. Er taumelte ziellos vorwärts und entdeckte
irgendwo in einem Getümmel jubelnder Krieger Eric, der seiner verletzten
Gefährtin Thetka auf die Beine half. Krok kam herbei und begutachtete die
Wunden am Bein seiner Nichte. Er stützte Thetka, die immer wieder versicherte
wohlauf zu sein, obwohl sie sich nicht allein auf den Beinen halten konnte.
Mnata fragte Krok nach Premysl.
„Er scheint
unversehrt“, versicherte ihm der Stammesführer. „Einige Männer, die ihm nahe
standen, auch Sachsen, sind gefallen und das erschüttert ihn. Wir haben ihm
viel zu verdanken, und deshalb sollten wir ihn in Ruhe um die toten Bauern
trauern lassen. Suche lieber Vlasta. Wir haben sie nirgendwo entdecken können.“
Mnata nickte
und ging weiter. Er musterte nun jeden der Gefallenen, beklommen vor Angst,
Vlastas blondes Mädchengesicht darunter zu finden. Doch er sah nur bärtige
Männer, die in ihrem Blut lagen. Die endlose Menge zerstörter, dahin geschlachteter
Körper schien zermürbend. Nachdem er so lange herumgeirrt war, dass er über
Leichen zu stolpern begann und sein Blick sich wieder trübte, fühlte er
plötzlich zwei kräftige Arme um seinen Hals. Er trat nach dem unbekannten
Angreifer und fuhr mit gezücktem Schwert herum.
Nur an ihrem
hellen, fast weißen Haar erkannte er Vlasta, deren Gesicht hinter einer Kruste
von Blut und Schmutz verborgen war. Er nahm verwirrt ihre freudestrahlenden
Augen zur Kenntnis. „Kannst du es glauben, kleiner Hunne?“, rief sie begeistert
aus. „Wir haben gewonnen! Die Franken haben Reißaus genommen. Sie sind weg. Ich
habe nie wirklich geglaubt, dass wir das schaffen könnten.“ Wieder fiel sie ihm
um den Hals. Er hob sie hoch und ließ sie durch die Luft wirbeln. Auf einmal
hörte er seinen eigenen Freudenschrei, der über das gewaltige Schlachtfeld mit
all den Toten hallte.
Sie hatten den
Feind besiegt.
Das Fest war lang und
ausschweifend, nachdem alle Wunden verbunden waren und die Heilerinnen den
siegreichen Kriegern stärkende Tränke eingeflößt hatten. Widukind hielt eine
Rede, um die Bedeutung des Sieges herauszustellen. Durch die Vereinigung ihrer
Kräfte war es den Anhängern des alten Glaubens gelungen, die Krieger des
machtgierigen Christengottes zu verjagen. Er hob seinen Krug zu Ehren
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