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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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ausgebildet wie Krieger. Er
würde nur  die Rituale und Gebetssprüche lernen.“
    Kazis dunkle
Augen musterten sie staunend. „Schamenen kommen aber gewöhnlich aus dem Volk.
Sie fallen durch besondere spirituelle Gaben auf und werden deshalb ausgewählt.
Solche Entscheidungen zu treffen ist eine von deinen Aufgaben, Libussa. Wonach
triffst du dabei deine Wahl?“
    Libussa
überlegte eine Weile.   „Schamanen müssen klug sein und willens, ihr Leben
den Göttern zu weihen“, begann sie dann. „Viele bringen seherische Fähigkeiten
mit. Manchmal genügt aber auch ein tiefer Sinn für Gerechtigkeit und
Verständnis für die Sorgen anderer Menschen, denn in ihren Dörfern sind die
Schamanen auch Ratgeber. Ich bespreche solche Entscheidungen übrigens immer mit
Bohumil, dem ältesten der Schamanen.“
      „Und du
meinst“, fuhr Kazi stirnrunzelnd fort „dass mein Sohn irgendeines dieser von
dir genannten Talente besitzt?“
      Libussa
erschrak, wie hart eine Mutter über ihr eigenes Kind urteilen konnte. „Ich bin
mir sicher, dass dein Sohn Begabungen hat. Vielleicht dauert es eine Weile, bis
sie deutlich werden. Bohumils Obhut wird ihm gut tun. Der alte Mann ist weise
und verständnisvoll.“ Sie wollte nicht offen aussprechen, dass eben jene
Eigenschaften Kazi im Umgang mit Vojen fehlten. Die Schwester zuckte mit den
Schultern.
    „Wenn du
meinst. Er zeigt zwar keinerlei Begeisterung für den Dienst an den Göttern,
aber irgendetwas muss er ja machen.“
    Libussa seufzte
betrübt. Es hätte keinen Sinn gehabt mit Kazi zu streiten. Eine Weile sah sie
schweigend zu, wie ihre Schwester Tränke und Salben mischte. Kazi vermochte
ganz in dieser Tätigkeit zu versinken. Libussa beneidete sie in diesem
Augenblick darum, denn nachdem ihr Gespräch beendet war, kehrten die Sorgen
zurück.
    Sie hatte sich
im Zorn von Premysl getrennt, erbost über seine Entscheidung, mit in den Krieg
zu ziehen.. Sogar vor einer Umarmung zum Abschied war sie zurückgewichen. Falls
Premysl nicht wiederkäme, hätten sie ihre letzten gemeinsamen Tage wie Fremde
verbracht. Doch seit er fort war, suchten die Erinnerungen sie mit
erstaunlicher Heftigkeit heim. „Vielleicht können wir auf den Aussichtsturm
steigen“, schlug sie Kazi vor. „Dann sehen wir es gleich, wenn Boten
eintreffen.“
    Die Schwester
stand auf, ohne zu widersprechen. Gemeinsam gingen sie über den Hof und nachdem
ein Knecht ihnen die Leiter gebracht hatte, erklommen sie die Stufen. Oben auf
der Mauer ließ Libussa ihren Blick über Fluss, Wiesen, Wälder und die alte
Festung Chrasten in der Ferne schweifen. Sie sah die Bauern auf den Feldern
arbeiten wie jedes Jahr zur Erntezeit. Alles schien vertraut, als wäre nichts
geschehen. Erst nach einer Weile fiel ihr auf, dass es fast nur Frauen, Kinder
und Greise waren, die dort die Sicheln schwangen. Unruhig hielt sie den Blick
in die Ferne gerichtet, als könnte stetes Starren einen Reiter am Horizont
auftauchen lassen.
    „Langsam
könnten wir mal wieder runtergehen“, murmelte Kazi. Libussa warf ihr einen
wütenden Blick zu.
    „Ich glaube,
dass bald ein Bote eintreffen wird. Gewöhnlich kann ich mich auf meine Ahnungen
verlassen.“
    Kazi wirkte
mürrisch, aber sie schwieg und harrte geduldig an Libussas Seite aus, bis
endlich mehrere Reiter in der Ferne auftauchten.
     
     
    Sie stiegen hastig die Leiter
hinab. Libussa rief den Mägden zu, Essen herzurichten. Sie wusste nicht genau,
wen sie erwartet hatte, doch als Radka von den Lukanern mit einigen älteren
Kriegern durch das Tor ritt, fiel es ihr schwer, eine freudige Begrüßung
auszusprechen. Die Lukaner-Fürstin war wie die meisten Frauen ihres Ranges in
der Heimat geblieben, um für die Verwaltung der Festung und des Landes zu
sorgen, während die Männer kämpften. Allein Libussas Achtung vor Radka zwang
sie, ihre tiefe Enttäuschung hinter angemessenen Worten der Begrüßung zu
verbergen.
    „Habt ihr
Neuigkeiten?“, fragte Radka sogleich ungeduldig. Ihr Gesicht verriet ungewohnte
Unruhe. Libussa schüttelte den Kopf und spürte die gleiche nagende Angst, die
sie an Radka erkannte.
    „Irina ist
schwanger. Sie sehnt sich nach Lecho, denn es geht ihr nicht gut“, meinte die
Lukaner-Fürstin.
    Libussa senkte
den Kopf. Sie dachte an Kazis Bemerkung von vorhin: Jede Frau, die Männer
liebt, muss manchmal warten. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Ich bin mir
sicher, dass sie bald wieder zurück sind“, sagte sie so entschieden wie
möglich, doch sie

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