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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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wie ihre Vorgängerin. Sie schien zu wissen, worum es ging, denn
sie führte die Frauen ohne weitere Fragen zur Quelle.
    Das Wasser
plätscherte eine leise Melodie. Auf einen Wink der Keltin hin setzten sie sich
im Kreis an die Stelle, wo es aus der Erde sprang, und fassten sich an den
Händen. Libussa hatte den Trank zu sich genommen, bevor sie losgingen, denn
Kazi meinte, es könnte dauern, bis seine Wirkung einsetzte. Die Schwester hatte
vor Schwindelgefühlen gewarnt, doch noch merkte Libussa nichts davon. Sie
spürte nur einen raschen Herzschlag und ein Kribbeln auf der Haut, als liefen
Ameisen an ihren Armen und Beinen hoch. Das führte sie auf die Aufregung
zurück. Kazis Warnung, dass sie vielleicht Furchtbares sehen werde, klang ihr
noch in den Ohren, aber mittlerweile zog sie eine schreckliche Wahrheit der
Ahnungslosigkeit vor.
    Die Priesterin
stimmte einen Gesang in keltischer Sprache an. Sie warf die Opfergaben,
Silberringe und bronzene Armreifen, ins Wasser, um die Göttin gnädig zu
stimmen. Dann umfassten ihre Finger wieder Libussas und Kazis Hand. Ihr Druck
war nun stärker, und ihre Stimme schwoll zu einem Kreischen an. Libussa fühlte
einen Ruck durch ihren Körper gehen, als habe ein unsichtbarer Feind sie
gestoßen. Kazis Gesicht wirkte ernst und verschlossen. Radkas Mund hingegen
verzog sich ungeduldig, als könne sie das Ende dieses seltsamen Spiels kaum
erwarten. Sie glaubte offensichtlich nicht an solche Rituale, und Libussa
fragte sich, ob solche Zweifel die Göttin erzürnen konnten.
    Doch dann
begann sie schon zu fallen und stürzte in die Tiefen der Quelle, wo nur
Finsternis sie umgab. Seltsame Geräusche drangen an ihr Ohr, als schlichen
unbekannte Wesen in der Nähe herum. Immer weiter versank sie im Dunkeln und
fürchtete, darin zu ertrinken und das Hämmern ihres Herzens schwoll zu einem
Trommelwirbel an. Sie wollte schreien, doch kein Laut drang aus ihrem Mund. Sie
fiel und fiel, bis sie glaubte, zu sterben.
    Das Licht
blendete sie. Vor ihr rauschte ein Fluss dahin, den sie noch nie zuvor gesehen
hatte. Daneben lag eine Wiese mit einem Holzbau und Zelten, auf der viele
Männer standen. Sie trugen Waffen, doch zu ihrer Erleichterung kämpften sie
nicht, sondern beredeten etwas in einer fremden Sprache. In ihrer Mitte
entdeckte sie den hoch gewachsenen Mann aus ihren Träumen, der mit ruhiger
Stimme Befehle erteilte. Mehrere Krieger waren an seiner Seite sowie ein
christlicher Kuttenträger, um dessen Hals ein großes Kreuz hing. Aus der Menge
vor ihnen wurde ein Gefangener nach vorn geführt. Der Kuttenträger stellte ihm
eine Frage, die mit Kopfschütteln beantwortet wurde. Daraufhin streckte der
Kuttenträger drohend das umgehängte Kreuz in die Höhe, und Krieger zwangen den
Gefangenen auf die Knie. Das Gesicht des Mannes war starr vor Entschlossenheit,
als er wieder verneinte. Nun trat der Befehlshaber vor, dessen Gesicht Libussa
schon so oft gesehen hatte. Er redete freundlich und eindringliche auf den Knienden
ein, doch der schien nicht empfänglich für seine Worte. Die Krieger zwangen
ihn, sich nach vorn zu beugen. Dann blitzte ein Schwert auf und durchtrennte
blitzschnell seinen Hals.
    Libussa hörte
ihren eigenen Schrei, der die Stille zerriss.
    Der nächste Mann
wurde vorgeführt. Er brüllte und trat nach den Kriegern, doch er vermochte sich
nicht zu befreien. Als sie ihn ebenfalls in die Knie zwangen, bebte sein Körper
wie bei einem starken Fieber. Wiederum wurde ihm ein Kreuz vor das Gesicht
gehalten, bei dessen Anblick Tränen über seine ledrigen Wangen liefen. Doch
auch seine Antwort war nur ein entschlossenes Kopfschütteln, und bald darauf
wurde er ebenfalls enthauptet. Libussa sah, wie der Fremde aus ihren Träumen
dabei die Augen schloss, als sei dieser Anblick auch für ihn schwer zu
ertragen. Trotzdem ließ er den nächsten Gefangenen vorführen. Der küsste das
Kreuz und durfte aufstehen, wodurch sich das ernste Gesicht des Befehlshabers
ein wenig entspannte. Aber nur wenige der Männer, die nach ihm herbei gezerrt
wurden, folgten dem Beispiel des Überlebenden.
    Libussa sah sie
alle sterben. Das Gras der Wiese färbte sich dunkelrot, während die Köpfe
rollten. Nach einer Weile fühlte sie nichts mehr außer völliger Leere, als sei
sie selbst mit all diesen Männern gestorben. Trotzdem war es ihr nicht möglich,
die Augen vor dem Grauen zu verschließen, so wie der fremde Befehlshaber es
immer wieder tat.
    Dann sah sie
den ersten ihr bekannten Gefangenen.

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