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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Vojtan von den Lemuzi hatte sich aus der
gesichtslosen Menge gelöst und lief mit wütendem Gebrüll auf die Henker zu.
„Seid verflucht auf ewig, ihr Anbeter eines blutrünstigen Dämons!“
    Wieder schrie
Libussa gellend auf, als Schwerter seinen Körper durchbohrten. Ihr Schrei
verstummte nicht, auch als die Dunkelheit sie erneut umfing. Sie meinte zu
ersticken, doch kämpfte sie nicht dagegen an. Der Tod versprach Erlösung und
Frieden.
    „Libussa!“
Finger bohrten sich in ihre Schultern. „Libussa, wach auf!“ Das Flehen der
vertrauten Stimme zwang sie, die Augen zu öffnen. „Libussa, wir dachten, es
wäre unmöglich dich zurückzuholen“, flüsterte Kazi und wandte sich ab, um ihre
Tränen zu verbergen.
    Langsam
richtete Libussa sich auf. Ihr Kopf schmerzte wie noch nie zuvor, und sie
fühlte sich vollkommen zerschlagen. Jede Bewegung tat weh.
    „Hast du etwas
gesehen?“, fragte Radka ungeduldig.
    Die Bilder
kamen zurück und zum Schutz vor ihnen verbarg Libussa ihr Gesicht in den
Handflächen. Sie wünschte sich, niemals erwacht zu sein.
    „Libussa, bitte
sag uns, was du gesehen hast. War es schlimm? Wir können ja alles sowieso nicht
mehr ändern.“ Kazis Stimme war sanft und eindringlich. Auf diese Weise redete
sie gewöhnlich nur mit schwer Kranken.
    Libussa wich
zurück. Das Drängen machte ihr Angst. Solange sie den Inhalt ihrer Visionen
nicht preisgab, konnte es sich auch um einen bösen Traum handeln.
    „Es ist
manchmal schwer, die Wahrheit zu sehen. Aber eine Last wird leichter, wenn man
sie auf mehrere Schultern verteilt“, hörte sie die Stimme der jungen
Priesterin.
    „Sie sind tot“,
murmelte Libussa. „Sie sind alle tot. Keiner von ihnen würde Christ werden, nur
um sein Leben zu retten. Nicht einmal Premysl, der an unseren Göttern stets
gezweifelt hat. Er würde sich niemals einer solchen Gewalt beugen.“
    Und dann schrie
sie erneut.
     
    Die Tage zogen an ihr vorbei,
während sie reglos auf ihrer Bettstatt lag. Der Schlaf war ihr engster
Vertrauter geworden, tröstend wie die Finsternis, die sie vom Anblick all
dieser Morde erlöst hatte. Unwillig öffnete sie die Augen, wenn Kazi kam, um ihr
dreimal täglich eine Brühe einzuflößen, denn feste Nahrung vertrug ihr Magen
nicht. Sie aß nur, weil die Schwester es wünschte. Danach legte sie sich wieder
hin, um der Welt erneut zu entfliehen. Es konnte nicht mehr lange dauern. Kazi
hatte einmal gesagt, dass Tiere starben, wenn das Leben für sie unerträglich
wurde. Eine solche Flucht müsste doch auch für sie möglich sein, trotz der
Brühe. Um ihre Kinder, Lidomir und Scharka, konnte sich Kveta, die alte
Kindsfrau, kümmern. Warum sollte einer einfachen Frau wie Kveta ein Leid
geschehen, ganz gleich, wer in Zukunft über das Land der Behaimen herrschte?
    Libussa träumte
vom ewig grünen Reich der Toten, wo Premysl auf sie wartete. Wenn sie schlief,
sah sie sein Gesicht und hörte, wie er nach ihr rief. Ihr Volk war ohne seine
Krieger ohnehin verloren, wie Radka vorausgesehen hatte. Bald schon würde sie
nicht mehr die Augen öffnen müssen, um diese leere, finstere Welt zu sehen. Sie
spürte, wie ihr Körper zunehmend schwächer wurde, und freute sich auf die
bevorstehende, endgültige Befreiung ihrer Seele aus dem verhassten Verlies.
    Das hartnäckige
Rütteln an ihrem Arm war lästig. Sie versuchte, weiter in die erlösende
Bewusstlosigkeit zu fliehen, doch eine Mädchenstimme hinderte sie daran.
„Mutter, geht es dir nicht gut?“
    Wütend riss
Libussa die Augen auf. „Ich sagte, ihr sollt mir die Kinder nicht bringen!“
    Kvetas Hand zog
sich von ihrem Arm zurück. „Warum sollen sie dich nicht sehen dürfen, bevor du
dich verabschiedest, Herrin? Das wäre grausam.“
    Libussa
verspürte einen Stich in der Brust. Widerwillig wandte sie sich der hässlichen
Welt der Lebenden zu.
    „Ich bin eine
alte Frau", murmelte Kveta sanft. „Ich weiss nicht, wie viel Zeit mir noch
vergönnt ist, bevor Veles mich ins Totenreich ruft. Lange werde ich diese zwei
Kinder wohl nicht mehr begleiten dürfen. Und was ist dann? Kazi liebt vor allem
Tschastawa. Radka von den Lukanern hat die Frauen der fürstlichen Clans um sich
versammelt, um zu besprechen, wie das Land in Zukunft verteidigt und regiert
werden kann. Deinen Kindern wird sie nichts Böses wollen, aber auch nicht
willens sein, viel Zeit an sie zu verschwenden.“
    Libussa konnte
nicht umhin, Lidomir und Scharka anzusehen. Die Tochter drängte sich mit
ängstlich

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