Die Träume der Libussa (German Edition)
einen weiteren Schluck Met. Seine Haltung war aufrecht und er legte mit
einer entschiedenen Geste die Hände auf den Tisch, bevor er wieder zum Reden
ansetzte: „Ich möchte dir ein Angebot machen, Clothards Tochter. Ich bin nicht
mehr jung und auch kein Edeling. Zwei Frauen habe ich in meiner Heimat bereits
zu Grabe getragen. Von den Kindern leben noch drei. Ich sehne mich nicht nach
Liebe und brauche auch keinen weiteren Nachwuchs. Doch ich möchte dich bitten,
mein Weib zu werden. Es wäre zu unserer beider Vorteil.“
Radegund
meinte, sich in einem Traum zu befinden, doch ihr war nicht klar, ob es sich um
einen schönen oder quälenden handelte. Ihr war leicht schwindelig.
„Ich habe
keinen guten Ruf", verteidigte sie sich gegen einen Angriff, der
vielleicht keiner war.
Der Händler
zuckte mit den Schultern. „Was kümmert mich dummes Gerede? Du bist eine Frau,
die zu gefallen versteht. Natürlich zerreißt man sich das Maul über dich, aber
dadurch bekommst du auch Aufmerksamkeit. Was ich in dir sehe, ist deine
Begabung. Du kannst Kleidung entwerfen, die gefällt. Vielleicht wäre es
möglich, nicht nur Stoffe, sondern auch bereits fertig genähte Gewänder zu
verkaufen, wenn diese reizvoll genug sind. Falls dieses Geschäft nicht läuft,
wäre deine Gegenwart an meinem Verkaufsstand trotzdem von Vorteil. Die Frauen
sollen sehen, was sich aus meinen Stoffen machen lässt. Du kannst ihnen
zusätzlich noch ein paar Ratschläge anbieten, wenn sie einen angemessenen Preis
zahlen.“
Radegund konnte
sich an eine Zeit erinnern, da sie für eine solche Zukunft Erniedrigungen
hingenommen hätte. Nun jedoch erschien ihr dieses Gespräch seltsam, beinahe
lachhaft. Dieser zielstrebige Mann wollte die Heirat wie einen Handel
abschließen!
„Ich sehe, du
zögerst“, fuhr er auch schon fort. „Mein Angebot kommt sehr überraschend. Rom
wird dir gefallen, Radegund. Und ich bin zwar kein Edeling wie dein Vater, aber
auch kein armer Mann. Einem Mädchen in deiner Lage bleiben nicht viele
Möglichkeiten. Es wäre schade, wenn aus einer so begabten Frau wie dir eine
Nonne wird. Soll nur das Kloster an deinen Talenten
verdienen?“
Radegund
empfand weder Wut noch Stolz, dass er auf diese Weise mit ihr sprach. Sie
antwortete mit eben jener Entschiedenheit, die auch aus seinen Worten
gesprochen hatte: „Ich weiß dein Angebot zu schätzen, Konstantin aus Rom, und
mir ist klar, welche Ehre du dadurch einem Mädchen ohne Mitgift erweist. Doch
es ist mir nicht möglich, deine Gemahlin zu werden.“
Die dunklen
Augen des Händlers musterten sie staunend. Er war es offenbar nicht gewohnt, dass
jemand die Aussicht auf ein gutes Geschäft ablehnte.
„Ist dies dein
letztes Wort, Clothards Tochter? Du weißt, ich habe nicht viel Zeit für alberne
Spiele. Falls du irgendwelche Forderungen an mich hast, bevor du einwilligen
möchtest, so nenne sie bitte gleich.“
Radegund
schüttelte langsam den Kopf. Sie wusste, dass sie noch vor einigen Monaten
bereit gewesen war, einen wesentlich abstoßenderen Mann zu heiraten. Hiltrud,
diese unverbesserliche Heidin, hatte gemeint, die Götter ließen den Menschen
manchmal eine Wahl. Doch sie fühlte sich nicht in der Lage, in diesem
Augenblick eine andere Entscheidung zu treffen, auch wenn es dafür gute Gründe
gegeben hätte.
Konstantin
stand schweigend auf, verabschiedete sich und ging. Radegund räumte den Becher
vom Tisch, als Gudrun eintrat.
„Du hast ihn
fort geschickt, ohne dass er mit deinem Vater gesprochen hat!“ Die blauen Augen
funkelten zornig. Sie musste hinter der Tür gelauscht haben.
„Er wollte nur
mit mir reden", erwiderte Radegund gleichmütig.
Gudrun tat einen
tiefen Seufzer. „Ich weiß ja, er ist kein junger Mann mehr. Nicht das, wovon
ein Mädchen träumt. Aber du siehst doch, wie deine Lage ist. Er hätte dir ein
gutes Leben bieten können.“
„Ja, das hätte
er wohl. Aber ich konnte nicht annehmen.“
„Verflucht, hast
du keinen Verstand im Kopf? Ist es wegen dieses Zöglings von Vater Anselm, mit
dem du dich heimlich seit Monaten triffst? Ich weiß davon und viele andere
auch. Dieser Junge sieht gut aus, aber er hat kein eigenes Vermögen. Er ist bei
einem Priester aufgewachsen, und bestenfalls wird ebenfalls ein Priester aus
ihm. Du weißt doch, wie der König und seine Bischöfe zu der Heirat von
Geistlichen stehen.“
„Das weiß ich
wohl. Aber Lidomir wird niemals Priester werden", erwiderte Radegund. Sie
erkannte, wie sehr ihre
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