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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Ruhe Gudrun zur Weißglut trieb, und staunte, dass sie
darüber keinerlei Freude empfand.
    „Was soll er
denn dann werden, bei allen Heiligen? Vielleicht lässt man ihn irgendwann zu
seinem Volk zurück, doch weißt du überhaupt, was für ein Leben du dort an
seiner Seite hättest?“
    „Ich würde es
herausfinden.“
    Gudrun hob zum
Protest die Hände, ließ sie jedoch wieder sinken, da ihr Zorn wohl langsam
nachließ. „Na gut, ich hatte auch meinen Dickschädel. Den jungen, schmucken
Edeling Clothard wollte ich, obwohl mein Vater mich warnte, der würde mich
irgendwann durch eine Frau seines Standes ersetzen, was zunächst auch geschah.
Aber verrate mir Radegund, warum ist dein schöner Heide noch niemals hier
gewesen? Wenn er dich zum Weibe will, müsste er doch allmählich mit deinem
Vater reden, meinst du nicht?“
    Radegund senkte
den Blick, denn es war Gudrun gelungen, den wunden Punkt zu treffen.
     
    Sie lief durch die tanzenden
Schneeflocken. Lidomir hatte vorgeschlagen, sie sollten sich immer gleich an
der einsamen Stelle am Fluss treffen, damit ihre Zusammenkünfte nicht für
Gerede sorgten. Seine Vorsicht hatte nichts genützt. Nun fragte sie sich zum
ersten Mal, warum er überhaupt so vorsichtig war. Gudruns Worte hatten ihren
alten Dämon, die Unzufriedenheit, aus seinem langen Schlaf gerissen. Wie eine
Ratte im Käfig nagte er in Radegunds Brust.
    Lidomir war
bereits da. In einen dicken Fellumhang gehüllt lief er trotzdem auf und ab, um
sich zu wärmen.
    „Das ist ein
übles Wetter neuerdings", meinte er zur Begrüßung. 
    „Ja, das ist es
wohl und könnte die nächsten Wochen so bleiben. Ich finde, wir sollten uns in
Zukunft hinter sicheren Wänden treffen, wo vielleicht auch ein Herdfeuer
brennt.“
    Sie zog ihre
zitternde Hand aus dem Muff und streckte sie ihm zur Begrüßung entgegen.
Lidomir streichelte versonnen ihre Finger. Er berührte sie nur selten und wenn,
dann auf eine zaghafte, zurückhaltende Weise. Bisher hatte Radegund das
gefallen, auch wenn sie dabei manchmal ein merkwürdiges Sehnen in ihrem
Unterleib spürte, das sie sich nicht erklären konnte. Wonach verlangte es sie?
Sicher nicht, wieder mit hochgezogenem Gewand an eine Hauswand gedrückt zu
werden.
    „Wie geht es
deinem Vater? Du sagtest, er sei krank", fragte Lidomir höflich.
    „Mein Vater
kränkelt jeden Winter. Er ist eben kein junger Mann mehr.“
    Kaum waren
diese Worte ausgesprochen, fürchtete sie, herzlos zu klingen. Doch ihr Unmut
gewann die Oberhand.
    „Wenn du dir
Sorgen um meinen Vater machst, könntest du uns auch einmal besuchen. Seit
Monaten erzähle ich dir von meiner Familie. Du hast mir geraten, wie ich mich
mit Gudrun versöhnen könnte, und das hat geholfen, aber warum willst du diese
Leute nicht auch einmal treffen, wenn wir in derselben Stadt wohnen?“
    Sie erschrak.
Ebenso wie Konstantin der Römer eilte sie ungeduldig ihrem Ziel entgegen. Ein
Mann durfte das gegenüber einer Frau. Doch ihr selbst gelang es nie, sich
angemessen zu verhalten. Lidomir hatte ihre Hand losgelassen.
    „Ich weiß
nicht, ob ich bei deinem Vater willkommen wäre", murmelte er nach einer
Weile des Schweigens.
    „Das käme auf
einen Versuch an", erwiderte sie und schämte sich für ihre Bissigkeit.
    „Du scheinst
heute sehr schlechter Laune, Radegund. Ist etwas vorgefallen?“
    „Nichts
Besonderes. Nur, dass ein wohlhabender Händler um meine Hand angehalten hat.“
    Nun war sie
Konstantin aus Rom wirklich dankbar. Lidomir sollte ruhig denken, dass es
Rivalen gab.
    „Und hast du
angenommen?“, kam es leise, aber ohne jede Empörung. Plötzlich hatte sie den
Wunsch, ihn zu schlagen.
    „Nein, das habe
ich nicht", schrie der Zorn aus ihr heraus. "Weil ich eine dumme Gans
bin, die in einen Kerl vernarrt ist, der sich selbst bei dem ärgsten
Schneetreiben nur heimlich im Freien mit ihr treffen will. Der bisher nicht den
Mut gefunden hat, sich über die Schwelle ihres Elternhauses zu wagen, damit er
nicht etwa in den Ruf gerät, ernsthafte Absichten zu hegen. Wahrscheinlich
reist er bald wieder ab mit seinem Vater Anselm, und ich kann mir dann die
Haare raufen, weil ich eben hoffnungslos blöde gewesen bin wie die meiste Zeit
meines Lebens.“
    Kaum waren ihr
diese vernichtenden Worte entwischt, drehte sie sich um und lief davon. Panisch
rannte sie zurück in die Stadt, zum Haus ihres Vaters, um sich dort auf ihr
Lager werfen und sich die Seele aus dem Leib heulen zu können. Wenn es je eine
Hoffnung auf ein Leben

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