Die Träume der Libussa (German Edition)
glücklich,
mit dir hier zu sein, Radegund.“
Nach diese
Worte sank sie in seine Umarmung. Zunächst war sein Streicheln ihr angenehm.
Sie hatte in ihrem Leben wenig Zärtlichkeit erfahren und berauschte sich bei
jeder Gelegenheit daran. Doch als sie hörte, wie sein Atem rascher ging,
überkam sie Unmut. Es war spät und sie sehnte sich nach Schlaf. Dennoch schien
es ihr nicht klug, ihn abzuweisen. Männer sahen sich schnell anderweitig um,
wenn die eigene Frau sie nicht zufrieden stellte. Sie hatte in Lidomirs Heimat
schon einige hübsche Mädchen entdeckt, ganz zu schweigen von der dunklen
Schönheit Tschastawas. Radegund legte sich bereitwillig auf den Rücken. Sie
mochte seine Küsse und die Berührung seiner Hände. Manchmal gelang es ihm,
dadurch die Sehnsucht nach größerer Nähe in ihr zu wecken, doch wenn sie sich
ihm widerwillig hingab, so wie jetzt, meinte sie jedes Mal, wieder die
steinerne Mauer an ihrem Gesicht zu spüren. Er bohrte sich in ihren Unterleib,
und sie schloss die Augen, denn sie hatte Angst, in Lidomir jene gierige Fratze
des Händlers wieder zu erkennen. Plötzlich spürte sie sein Innehalten.
„Was ist mit
dir?“ Die Unsicherheit in seiner Stimme war ihr lästig.
„Nichts, was
soll denn sein?“, erwiderte sie und zwang sich, ihren Körper an den seinen zu
pressen. Wenn sie Begeisterung vortäuschte, war es schneller vorbei.
Lidomirs
Stöhnen stieß sie ab, doch als er erschöpft an ihrer Seite ruhte und sie in die
Arme schloss, kam das Glücksgefühl zurück. Sie wollte beschützt und geborgen
einschlafen.
„Du hast nicht
glücklich ausgesehen, Radegund. Ist etwas nicht in Ordnung?“
Ihr schoss ein
verrückter Gedanke durch den Kopf. Vielleicht würde er ihren gelegentlichen
Widerwillen besser verstehen können, wenn sie ihm von dem Händler erzählte?
Doch ihr Verstand rückte die Unordnung in ihrem Kopf schnell zurecht. Wenn
Lidomir von dieser Geschichte wüsste, würde er sie womöglich wieder nach
Regensburg zurückschicken.
Vielleicht
hätte ich doch Konstantin den Römer heiraten sollen?, fragte sich Radegund
plötzlich. Sie verstand nicht, woher diese Unzufriedenheit auf einmal kam.
Würde sie es eines Tages bereuen, nur auf ihr Herz gehört zu haben?
Am nächsten Tag fand eine Zeremonie zu Ehren von Lidomirs Ankunft statt.
Radegund fand nun endlich die notwendige Zeit und Ruhe, sich angemessen
herzurichten. Sie schickte die Mägde hinaus, denn sie wollte nicht von Fremden
umgeben sein. In dem Bronzespiegel, den sie mitgebracht hatte, sah ihr Gesicht
blass und müde aus. Sie überlegte, ihren Kopf in ein Tuch zu hüllen. Die
ansässigen Frauen trugen alle einen bunten, mit Schläfenringen verzierten
Kopfputz, doch Radegund war stolz auf ihr langes rabenschwarzes Haar und
beschloss, es frei fließen zu lassen. In ihre Ohren steckte sie die Perlen
ihrer Mutter, eines der wenigen Schmuckstücke, die ihr Vater nach seiner
Enteignung nicht verkauft hatte. Lidomirs Familie sollte nicht meinen, er habe
eine Bettlerin geheiratet.
Dann schritt
sie an seiner Seite zu einer Stelle unmittelbar neben dem großen Gebäude, wo
hölzerne Statuen heidnischer Götzen standen. Ihr fremdartiger Anblick
erschreckte Radegund zunächst, doch sie riss sich zusammen. Die Männer mit
bemalten Gesichtern spazierten wieder singend herum, angeführt von der Fürstin
Libussa. Radegund staunte, denn ihr schien, dass von dieser älteren Frau ein
Strahlen ausging, durch das sie jedes junge Mädchen in den Schatten stellen
konnte. Libussa zelebrierte ein Ritual vor den hölzernen Figuren, schnitt einem
Lamm die Kehle durch und brachte Opfergaben dar. Bei all dem schien sie von
Seligkeit erfüllt, ebenso wie die überzeugten Nonnen während ihrer Gebete.
Radegund musterte die Ereignisse gleichmütig. Sie hatte vor einem Gott am Kreuz
gekniet und nun sah sie, wie Statuen angebetet wurden. Der Gesang gefiel ihr
ebenso wie die farbenprächtige Kleidung der Anwesenden. Die Götter hatten nie
zu ihr gesprochen, und sie hatte ihre Botschaft bisher nicht vermisst. Ihr fiel
lediglich auf, dass die Menge der unbekannten Gesichter zugenommen hatte.
„Wer sind all
diese Leute?“, flüsterte sie Lidomir zu, der die Zeremonie aufmerksam
beobachtete. Er schien kurzzeitig verärgert, dass sie dazwischenplapperte, doch
dann antwortete er: „Das sind die fürstlichen Clans der anderen Stämme.“
„Wie, ihr seid
kein einheitliches Volk?“
„Wir sind ein
Volk, das aus
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