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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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der
Fremde eine Gefährtin gefunden hat, die bereit war, seinetwegen ihre Familie
zurückzulassen. Nun sei willkommen in der unseren. Es ist wohl an der Zeit,
dich allen vorzustellen.“
    Radegund fand,
dass dies bereits vor der Rede hätte geschehen können.
    „Verzeihe uns,
wenn wir dich bisher kaum beachtet haben“, meinte Fürstin Libussa auch schon,
als könne sie Radegunds Unzufriedenheit erahnen. „Die Freude, Lidomir wieder
bei uns zu wissen, war zu groß.“ Etwas an dem weisen, gütigen Gesicht dieser
Frau brachte Radegund dazu, tatsächlich zu vergeben.
    Nun wandte sich
Fürstin Libussa an den schlicht gekleideten Mann neben ihr. „Premysl, mein
Gefährte und der Vater meiner Kinder. Wir mussten auch gegen Widerstände
ankämpfen, denn er war ein Bauer, und es gefiel den Leuten nicht, dass ich mich
mit ihm vermählte.“
    Radegund fragte
sich, welche Fürstin freiwillig einen Bauern zum Mann nehmen würde. Umgekehrt
kam es gelegentlich vor. Ein hübsches Mädchen aus dem Volk konnte einem Edeling
ins Auge stechen, so wie es Gudrun gelungen war. Doch was vermochte eine
vornehme Frau für raue Hände und schlechte Manieren zu begeistern? Lidomirs
Vater hatte zwar das Gesicht ihres Gemahls, doch seine Augen schienen ihr
misstrauisch. Unbeeindruckt von ihrer Herkunft und Erscheinung wollten sie in
Radegunds Innerstes dringen. Sie wich seinem Blick aus.
    Anschließend
wies Lidomirs Mutter auf ein junges, blondes Mädchen, das Radegund bereits
durch sein liebreizendes Gesicht aufgefallen war. Sie mochte solche Frauen
nicht, die mit unschuldiger Miene durch Leben gingen, als hätten sie dadurch
ein Recht auf schonende Behandlung.
    „Meine Tochter
Scharka“, erklärte die Fürstin.
    Die feinen,
ebenmäßigen Gesichtszüge hatte Scharka von ihrer Mutter geerbt, ebenso wie das
dichte Blondhaar. Doch während Libussa weise wirkte, schien ihre Tochter nur
behütet und ahnungslos. Die Fürstin strich ihr liebevoll über den Kopf.
    „Das Gute an
unseren Sitten ist, dass sie mich nicht verlassen wird", sagte sie
lächelnd. Radegund kam ein seltsamer Gedanke. Man müsste ziemlich dumm sein, um
so eine Mutter freiwillig zu verlassen.
    Eine große,
stattliche Frau wurde als Thetka, Schwester der Fürstin, vorgestellt. Der Mann
an ihrer Seite hieß Eric. Vlasta, das Mannweib, war ihrer beider Tochter. Sie
grinste, als Libussa dies erklärte, und ihre Augen machten Radegund ein
Friedensangebot. Trotz ihrer furchteinflößenden Erscheinung schien sie ein
gutmütiger Mensch, doch Radegund war nicht willens, eine Kränkung so einfach zu
vergessen. Schließlich machte die Fürstin sie auf eine blasse, dunkelhaarige
Frau aufmerksam, deren Blick Radegund nur kurz streifte, als sei sie ein
unwichtiges Möbelstück.
    „Dies ist meine
älteste Schwester Kazi, die angesehenste Heilerin unseres Volkes.“
    Kazi nahm die
Huldigung gleichmütig zur Kenntnis. An ihrer Seite saß Vojen, ihr Sohn. Er
hatte das gleiche verschlossene Gesicht, doch wirkte es weniger entspannt.
    „Meine Tochter
Tschastawa wird gleich hier sein", fügte seine Mutter hinzu.
    Mnata, den
Hunnen, kannte Radegund bereits. Doch staunte sie, einen verliebten Hunnen zu
sehen. Seine schräg gestellten Augen ruhten fast nur auf Scharka, die das nicht
zu merken schien. Vermutlich betrachtete sie es als Selbstverständlichkeit, wie
ein kostbares Juwel behandelt zu werden.
    Plötzlich flog
die Tür zum Saal auf, und ein junges Mädchen stürzte herein, dessen Anblick
Radegund alle Bitterkeit kurzzeitig vergessen ließ. Die Haut glich tiefbraunem
Samt, und dichte schwarze Locken fielen über ihre grazile Schultern. Sie hatte
mandelförmige Augen, doch groß wie die eines Rehs. Eine solche Schönheit könnte
in der Gasse am Römerturm ein Vermögen machen, auch wenn kein Edeling sie bei
diesem ungewöhnlichen Aussehen zur Frau nehmen würde, denn es würde sich wohl
auch auf seine Kinder vererben.
    „Tschastawa, da
bist du ja endlich!“ Kazis Stimme hatte ihren Gleichmut verloren. Sie klang
verärgert. „Wo hast du dich so lange herumgetrieben? Du wusstest doch, dass
Lidomir eintreffen wird. Wie kannst du deine Familie derart vernachlässigen?“
    „Es tut mir
leid. Ich war sehr beschäftigt", murmelte die dunkle Grazie ausweichend.
Dann richteten sich ihre Augen auf Lidomir.
    „Willkommen
zuhause, Vetter", sagte sie und streckte ihm die Hände entgegen. Lidomir
erhob sich, um das Mädchen in seine Arme zu schließen.
    „Du bist eine
wunderschöne Frau geworden,

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