Die Träume der Libussa (German Edition)
beichtete. Mit jedem Wort, das
sie sich auszusprechen zwang, schien sich eine Last von ihrer Seele zu heben.
Vielleicht hätte sie ihrem Gemahl gleich alles erzählen sollen, anstatt die
Hilfe Gundolfs zu suchen. Vielleicht waren gläubige Menschen wie Anahild und
Frederik, die zur Ehrlichkeit rieten, doch keine weltfremden Narren.
„Danach hatte
Gundolf mich in der Hand, denn er drohte, dir alles zu erzählen“, beendete sie
ihre Rede und lehnte sich zurück.
Lidomir strich
mit der Hand über seine in Falten gelegte Stirn.
„Und du
dachtest, ich würde ihm glauben?“, fragte er ratlos.
„Er erzählte
auch von meiner Schwester, die im Kloster von der Äbtissin sehr schlecht
behandelt wird. Er versprach, sich für sie einzusetzen, wenn ich ihm helfe“,
fügte sie schnell hinzu.
Lidomir
musterte sie wie eine Fremde.
„Warum hast du
mir das nicht erzählt? Ich hätte mit meiner Mutter gesprochen und
...“
„Mit deiner Mutter,
natürlich!“, unterbrach Radegund ihn. „Das ist alles, was du kannst, mit deiner
Mutter reden! Abgesehen vom Lesen kluger Bücher.“
Kaum waren
diese Worte ihr entwischt, erstarrte sie entsetzt. Was hätte sie dafür gegeben,
um diesen Satz wieder zurückzunehmen!
Lidomir
seufzte. „Es ist mir nun gleich, was du von mir hältst. Aber meine Mutter ist
eine einflussreiche Frau, der andere Menschen nicht gleichgültig sind. Sie
hätte alles getan, um deine Schwester zu uns nach Praha zu holen. Anders als
Gundolf, dem es nur um seine eigenen Ziele geht.“
Die Wahrheit
seiner Worte sickerte allmählich in Radegunds Bewusstsein.
„Aber sie hätte
nichts tun können. Eine heidnische Fürstin, von deren Existenz unser König
nicht einmal weiß! Wie sollte sie einer Nonne helfen?“
Mit
Erleichterung nahm sie Lidomirs Nicken zur Kenntnis.
„Gemeinsam
hätten wir vielleicht einen Weg gefunden, deiner Schwester zu helfen. Warum
hast du mir nicht schon in Regensburg davon erzählt? Ich hätte mit Vater Anselm
geredet. Er ist nur ein einfacher Priester, aber seine Güte und Frömmigkeit
haben ihm den Ruf eines heiligen Mannes verschafft. Der alte Bischof Sintpert
hielt viel von seinem Urteil.“
Radegund
schloss die Augen. Wie sollte sie Lidomir erklären, dass eine Empfängerin von
Almosen sich nicht anmaßen wollte, Forderungen zu stellen?
„Ich wollte
dich nicht damit belasten“, flüsterte sie. Sein bitteres Lachen war wie ein
heftiger Schlag.
„Nein,
stattdessen hast du hinter meinem Rücken gegen meine Familie intrigiert!“
Sie vergrub ihr
Gesicht in den Händen.
„Ich habe
nichts weiter getan, als Gundolf die Namen von Männern zu nennen, die mit der
Weiberherrschaft unzufrieden sind. Er hätte es auch ohne meine Hilfe mit der
Zeit herausgefunden.“
„Du wusstest,
das er heimlich gegen meine Mutter vorgehen will, und hast es mir verschwiegen!
Versuche nicht, diesen Verrat zu verharmlosen!“
Wieder hatte er
geschrien, diesmal in echtem Zorn. Radegund fühlte Tränen über ihre Wangen
laufen.
Lidomir hockte
vor ihr, doch sie wagte nicht, ihre Hände nach ihm auszustrecken. Die Klinge
von Mnatas Schwert in ihrem Leib wäre weniger qualvoll gewesen als diese
Unterhaltung. Der Zorn des Hunnen hätte ihr Erlösung geschenkt.
„Diese
Beschreibung weiblicher Schwäche bei den Schriftgelehrten!“, murmelte Lidomir,
mehr zu sich selbst als zu ihr. "Weder meine Mutter noch meine Schwester
sind so. Doch du, die Frau, die ich liebte, du bist hinterhältig, verschlagen
und schwach. Vielleicht liegt es daran, dass du in einem Volk aufgewachsen bist,
das derart über Frauen denkt.“
„Vielleicht
liegt es auch daran, dass ich keine geliebte Fürstentochter war. Dass ich um
jeden Krümel Glück erbittert kämpfen musste. Mit den Mitteln der Machtlosen“,
flüsterte Radegund verbittert, doch sie sah keinen Sinn darin, das
Lidomir zu erklären.
„Ich bin nicht
schlechter als Gundolf, der ein Mann ist und zudem Mönch“, fuhr sie
stattdessen fort. „Ich kann nicht ungeschehen machen, was ich getan habe. Nun,
mein Gemahl, flehe ich um deine Vergebung.“
Sie hatte getan,
wozu Anahild und Frederik ihr geraten hätten. Ihr Herz offenbart. Jetzt wartete
sie in der Hoffnung, das Schicksal könnte es trotzdem gut mit ihr meinen.
Lidomir dachte
lange nach. Sein Gesicht blieb wie eine verschlossene Tür.
„Die Sache mit
Slavonik“, begann er schließlich, „ich hätte sie dir verzeihen können, hättest
du nur mit mir gesprochen. Es war falsch von mir, dich
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