Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
fragte Gemma so aggressiv sie konnte.
Mendle grinste. Man sah seine perfekten, weißen Zähne.
»Sie haben Mut«, meinte er. »Gut. Das kann Ihrem Auftritt nur guttun.«
»Was für ein Auftritt?«
»Mein liebes Kind, wie Sie sicher wissen, hat Schönheit wie die Ihre einen gewissen Wert, besonders hier, wo die meisten Frauen eine dunklere Haut haben. Rotes Haar hat sogar Seltenheitswert.« Mit kaltem Blick setzte er seine Inspektion fort, als begutachte er irgendein Handelsgut. Mit einem Frösteln wurde Gemma bewusst, dass er genau das tat. »In dieser Stadt gibt es eine Menge Gentlemen, die schöne Frauen zu schätzen wissen«, fuhr Mendle fort. »Es gehört zu meinen beruflichen Pflichten - und Freuden diese Wertschätzung zu optimieren.«
Gemma krallte die Finger in den Stoff ihrer Bluse. Alles, bloß das nicht! flehte sie innerlich.
»Natürlich verfügen diese Gentlemen über beträchtliche Mittel«, fuhr er fort, »und es steht ihnen frei, ganz nach Belieben zwischen den Dingen zu wählen, die man ihnen anbietet. Daher auch die wundervollen Kleider, die Sie tra gen. Ich will, dass sie sich völlig über Ihren Wert im Klaren sind, wenn sie sich entscheiden, für Sie zu bieten.«
»Für mich zu bieten ?« Gemmas gespannter Stimme war die Angst anzumerken. »Sie wollen mich verkaufen?«
»Aber selbstverständlich ...«
»Das können Sie nicht tun! Sie ...« Sie trat einen Schritt vor, ihr Gesicht war wutentbrannt. Ziv richtete sich auf, und sie hielt inne. Es war aussichtslos.
»Sie haben Glück, meine Liebe«, fuhr Mendle fort, als ginge ihn das alles nichts an. »Noch heute Abend findet eine Versteigerung statt. Bei Ihrem Aussehen werden Sie schon bald Ihren Platz in einem der wohlhabendsten Häuser der Stadt finden, wo es Ihnen an nichts mangeln wird.«
»Bis auf die Freiheit. Bis auf Würde«, fauchte sie ihn an.
»Belanglose Nichtigkeiten«, erwiderte er fast gelangweilt. »Was nützt Ihnen Freiheit, wenn Sie ständig Schmerzen leiden? Ist Würde so wichtig, dass sie dafür verhungern würden?« Die Drohung in seinen Worten war überdeutlich, aber Gemma war zu wütend, als dass sie darauf geachtet hätte.
»Bastard!« zischte sie.
Mendle lachte. »Wie ich Schmeicheleien liebe«, meinte er.
»Haben Sie nicht etwas vergessen?« fragte sie, jetzt etwas ruhiger. »Sie sagten, mein >Auftritt< bei dieser perversen Versteigerung sei wichtig. Ich verspreche Ihnen, nach meinem Auftritt werden Sie froh sein, mich überhaupt noch loszuwerden.« Ihre Worte sprudelten hervor, angetrieben von einer an Hysterie grenzenden Verzweiflung, doch immer noch innerhalb der Grenzen der Vernunft. »Sie sind darauf angewiesen, dass ich mitspiele. Sie können mich nicht zwingen. Ihre Gentlemen werden nicht bereit sein, für beschädigte Ware zu bezahlen - und Sie werden mir jeden einzelnen Knochen brechen müssen, bevor ich mich freiwillig zur Sklavin machen lasse.«
»Tz, tz, meine Liebe. Sklavin ist so ein hässliches Wort.« Mendles sanft tadelnder Ton machte Gemma wild.
»Längst nicht so hässlich wie Sklaventreiber!« kreischte sie. »Ich will mit Ihren ekelhaften Machenschaften nichts zu schaffen haben!«
Mendles Lächeln blieb standhaft.
»Doch, ich denke schon«, meinte er. Er öffnete seine Tasche und zog ein kleines Glasfläschchen hervor. Gemma starrte es argwöhnisch an. Neue Angst keimte in ihr auf.
»Ich kann nur hoffen, dass Sie mir keine Schwierigkeiten machen«, meinte der blasse Mann voller Ernst. »Es wäre bedauerlich, wenn wir nicht auf zivilisierte Weise fortfahren könnten.«
»Zivilisiert?« schrie Gemma. Sie konnte es kaum fassen.
»Ich möchte nicht, dass Sie in irgendeiner Weise schlecht behandelt werden«, fügte er hinzu. Diesmal ließ ihr sein bedrohlicher Tonfall das Mark gefrieren. Er entkorkte das Fläschchen und reichte es ihr. »Trinken Sie das«, sagte er.
»Was ist das?«
»Etwas zur Entspannung. Sie werden sich wohler fühlen.«
Gemma schnupperte vorsichtig daran. Der Geruch der farblosen Flüssigkeit war ihr sofort vertraut, und wieder hörte sie Ardens Stimme. Drachenblumensamen rufen lebhafte Träume und Halluzinationen hervor. Manche benutzen sie ausschließlich zu diesem Zweck. Wie im Reflex schleuderte sie das Fläschchen von sich. Es zerschellte an der Wand und füllte das Zimmer mit dem schweren Duft der Flüssigkeit, die an der Wandtäfelung herunterlief.
Einen Augenblick lang schwand die zivilisierte Gelassenheit aus Mendles Gesicht.
»Das war sehr dumm«,
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