Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
und ging. Er konnte die Diskussion nicht länger ertragen. Die nächsten paar Tage wurde er am Hof nicht gesehen, und man nahm an, er sei in sein entlegenes Heiligtum hoch in den Bergen gegangen.
Trotz ihres heftigen Streits und des unschönen Abschieds ging es Gemma erst wieder besser, als er zurückgekehrt war, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Angelegenheit mit ihrer Halsstarrigkeit wieder auf den Tisch brachte. Mittlerweile hatte sie eigene Vorstellungen entwickelt.
Als Gemma aufwachte, war sie alleine im Zimmer. Sie hatte fürchterliche Kopfschmerzen und eine trockene Kehle. Sie lag da, den Geschmack von abgestandenem Bier auf der Zunge, und verfluchte ihre eigene Dummheit. Dann stand sie auf, schüttete sich etwas Wasser aus dem Krug ein, wusch sich und spülte sich den Mund aus. Sie legte sich wieder hin und wünschte, Arden würde zurückkehren.
Er war innerhalb einer Stunde zurück und hatte ein breites Grinsen auf seinem sonnengebräunten Gesicht.
»Immer noch im Bett?« zog er sie auf. »An einem so wunderbaren Tag?«
»Ich finde deine gute Laune absolut ekelhaft«, antwortete sie. »Nach den Mengen, die du gestern getrunken hast, müsstest du eigentlich genauso leiden wie ich.«
»Für einen Kater habe ich keine Zeit«, antwortete Arden gutgelaunt. »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.«
Gemma setzte sich mit Mühe auf und lächelte, trotz der Proteste ihres Kopfes. Ardens Laune war ansteckend und sein Eifer unwiderstehlich. Er setzte sich neben sie und gab ihr eine kleine Schachtel.
Drinnen lagen zwei wundervoll gearbeitete goldene Ohrringe in der Form zweier fliegender Gänse. Sie hatten die Flügel gesenkt und reckten die Hälse.
»Sie sind wunderschön!« rief sie und musste lachen, als sie an seine frühere Bemerkung dachte und sah, wie passend das Design war. Sie hob die Hände und wollte die schlichten Stecker herausnehmen, die in ihren Ohrläppchen steckten, doch Arden hinderte sie daran.
»Noch nicht«, sagte er. »Ich kann verstehen, dass du sie gerne loswerden möchtest, aber die neuen könnten hier in der Stadt einige Bemerkungen auslösen.« Er grinste.
Gemma verstand, was er meinte. »Nicht gerade Pazias Stil, hab' ich recht?« sagte sie. »Danke.«
22 . KAPITEL
Gemma zwang sich, ihre eigenen Vermutungen für den Rest des Tages zurückzustellen, und nahm sich statt dessen vor, dafür zu sorgen, dass Arden für seinen Auftritt vor Gericht entsprechend vorbereitet war. Sie brachte ihm zu essen und zu trinken, sorgte dafür, dass seine Kleidung so vorzeigbar wie möglich war, und redete mit ihm, wenn er es wollte. Sie besprachen, wie sich sein Fall am besten vortragen ließe, und er erklärte ihr das Verfahren, an das man sich halten müsse.
»Aber man wird dir doch erlauben, für dich selbst zu sprechen, oder?« fragte sie besorgt an einer Stelle. »Du warst großartig auf dem Platz.«
»So großartig, dass ich alle zum Schweigen gebracht habe«, meinte er zerknirscht.
»Aber das war doch nichts Schlimmes«, meinte Gemma empört. »Sie waren still, weil du ihre Herzen gerührt hattest.«
»Emotional gesehen war es richtig«, räumte er ein. »Rechtlich war es fast ein Katastrophe.«
»Das lasse ich nicht zu!« erwiderte sie. »Du wirst brillant sein. Dies ist ein Befehl.«
»Sehr wohl, Ma'am.« Er salutierte theatralisch.
»Dann wirst du also sprechen.«
»Ja. Das Problem ist, dass ich wahrscheinlich zu viel Hilfe bekommen werde.« Arden klang resigniert.
»Was meinst du damit?«
Er erklärte es ihr, und wieder einmal war Gemma gleichzeitig verwirrt und außer sich über das seltsame Rechtssystem der Stadt. Arden jedoch schien nicht übermäßig besorgt, und sie besprachen weiter die Einzelheiten seiner abschließenden Eingabe.
An diesem Abend aßen sie auf ihrem Zimmer und beschlossen, früh ins Bett zu gehen. Sie hatten reichlich Schlaf nötig.
»Wird Lord Lunkett selbst den Vorsitz führen?« fragte Gemma.
»Das bezweifle ich«, antwortete Arden. »Wahrscheinlich überlässt er das einem seiner Untergebenen. Obwohl, man weiß nie ... Es gibt ohnehin nur eins, dessen wir sicher sein können.«
»Und das wäre?«
»Wenn, dann verfolgt er damit nur irgendeine hinterhältige Absicht.«
Etwas in Ardens Tonfall ließ Gemma hoffen, dass ihnen derartige Feinheiten erspart blieben.
Der Zentrale Gerichtshof der Gilde in Great Newport war in einem der imposanten Gebäude in der Nähe vom Platz des Collosseums untergebracht. Hier endlich fand Gemma teilweise
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