Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
deutlich, als stünde er neben ihrem Bett. Aber sie konnte ihn noch viel mehr sagen hören, in ihrer Erinnerung klang er oft verärgert oder bitter.
»Du bist achtzehn, Gemma. Es wird Zeit, dass du diese lächerlichen Ideen aufgibst.«
»Damals hast du sie nicht lächerlich gefunden«, erwiderte sie. »Wieso sollten wir nicht versuchen, unsere gesamten Fähigkeiten zu nutzen?«
»Nicht Fähigkeiten. Magie.«
»Das ist doch dasselbe.«
»Nein, das ist es nicht.«
»Ein bisschen Verstand solltest du mir zugestehen«, meinte Gemma ärgerlich. »Ich erinnere mich an verschiedenes, als ich noch ein kleines Mädchen war. Ich kann lesen. Es gibt so viel, das wir über das Funktionieren unseres Verstandes nicht wissen. Früher gab es so etwas wie Magie. Wie kann sich das so vollständig geändert haben?«
Cai sah sie traurig an. »Du kennst die Antwort ebenso gut wie ich«, meinte er ruhig. »Die Zerstörung war das Ende, die Vernichtung aller Magie. Was die Welt nicht länger braucht, stößt sie ab. Magie wäre jetzt sinnlos. Die Fähigkeit dazu, wie du es nennst, existiert nicht mehr.«
»Was macht dich so sicher? Nur weil du dich entschlossen hast, sie zu verleugnen ...«
»Ich habe mich nicht entschlossen ... sie existiert nicht mehr!« Cai war wütend geworden. »Und selbst wenn, würde ich sie nicht wollen. Magie hat Millionen das Leben gekostet.«
Gemma war schockiert, wie Cai die Tatsachen verdrehte. Zwar war Die Zerstörung in der Tat verantwortlich für eine große Anzahl von Toten, aber die Alternative wäre die Hölle auf Erden gewesen, unter der Herrschaft einer gewalttätigen Macht von unvorstellbarer Bosheit. Niemand, der sich eine solche Welt vorstellen kann, hätte sich anders entschieden.
»Die Zerstörung war notwendig«, flehte sie. »Und das weißt du. Wir haben Millionen gerettet.«
»Wovor?« Die Verbitterung war Cais grünen Augen anzusehen, und Gemma antwortete nicht. Sie konnte nicht. »Wovor?« wiederholte er mit Nachdruck. »Ich werde es dir sagen. Vor der Korruption der Magie.«
Gemma sah weg, sie hielt seinen starren Blick nicht länger aus. Als er weitersprach, klang seine Stimme ruhig, hatte aber immer noch einen stahlharten Unterton.
»Die Zeit ist vorbei, Gemma. Für immer. Die Mondbeeren sind verschwunden, Brogar ist verschwunden - zusammen mit seinem Herrn. Alles ist fort. Sämtliche Zauberer sind tot.«
»Du nicht«, sagte sie leise, trotzig.
»Ich bin auch kein Zauberer«, erwiderte er aufgebracht.
»Warum wirst du dann nicht älter?« fragte sie und sah ihn an.
»Mein Körper passt sich noch an.« Es klang fast wie eine Entschuldigung. Gemma wusste, dass Cai an seinem jugendlichen Aussehen schwer zu tragen hatte.
»Nach über einem Jahrzehnt?« fragte sie vorsichtig nach.
»Ich werde älter werden«, antwortete er überzeugt. »Es dauert nur seine Zeit, das ist alles.« Er musste lächeln, als er merkte, was er gesagt hatte. »Außerdem möchtest du doch bestimmt nicht zusammen mit einem alten, hässlichen Mann gesehen werden, oder?«
Gemma lächelte zurück, ließ sich aber nicht von ihrer Argumentation abbringen. »Der Schwarm ist immer noch bei dir«, stellte sie fest.
»Wir haben uns aneinander gewöhnt«, meinte Cai leichthin. »Die Bienen sind wie jedes andere Haustier.«
»Sprichst du nicht mehr mit ihnen?«
»Nein.«
»Ich glaube, manchmal kann ich sie hören«, sagte Gemma, fast wie zu sich selbst.
»Das hast du dir immer schon eingebildet, als du klein warst«, meinte Cai. Er musste schmunzeln, als er daran dachte.
»Das war mehr als Einbildung. Ehrlich, wie man mich behandelt, könnte man meinen, ich sei immer noch ein kleines Mädchen. Manchmal fühle ich mich an diesem Ort wie gefangen.«
Cai überlegte, was er ihr sagen konnte. Er war froh, dass sie vom Thema abgekommen waren, aber Gemmas neuer Gedankengang machte ihn auch nicht glücklich. Er gab sich geschlagen, als Gemma auf ihr ursprüngliches Thema zurückkam und es erneut versuchte.
»Du heilst immer noch Menschen«, warf sie ihm vor.
Cai seufzte. Wie oft noch? fragte er sich. Laut sagte er, »Ich benutze lediglich mein Wissen aus meiner Zeit als ... von früher. Daran ist nichts verkehrt.«
»Genau das meine ich doch«, hakte Gemma sofort nach. »Wieso muss das Gute verschwinden, nur weil das Böse zerstört werden musste?«
»Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, Gemma«, erklärte Cai voller Ungeduld. »Mit der Magie ist es vorbei. Sie ist tot.«
Damit machte er kehrt
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