Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
Erlaubnis, hierzubleiben.«
»Gut. Werden viele der Propheten ihn sich ansehen kommen?« fragte C'tis.
»Wenn, dann habe ich davon nichts gehört«, meinte er zu ihr. »Du weißt, dass sie nur kommen, wenn sie gerufen werden. Sollte das geschehen, müssen wir schnellstens von hier verschwinden.«
»Das ist nur fair. Hast du bekommen, um was ich dich gebeten habe?«
B'van war damit beschäftigt gewesen, verschiedene Gegenstände zusammenzustellen, doch bei ihren Worten hielt er inne und sah sie gequält an.
»Auch ich habe nur ein Paar Hände«, beschwerte er sich und breitete sie aus, um seine Behauptung zu beweisen. »Und jedesmal, wenn ich die Höhle verlasse, bestürmen mich hundert Leute mit Fragen zu unserem Freund hier. Du hast keine Vorstellung, welchen Aufruhr er ausgelöst hat.«
»Ich hoffe nur, dass ich recht habe und er dies alles übersteht«, gab sie zurück. »Ich sehe jetzt erst, wie krank er wirklich ist.«
»D'vor und L'tha haben bei den Propheten ein flammendes Wort für dich eingelegt. J'vina hat damit gedroht, jedem den Kopf abzuschlagen, der behauptet, du wüsstest nicht, was du tust, und V'dal überzeugt jeden, der bereit ist, zuzuhören, dass der Fremde es ohne dich längst nicht so lange durchgehalten hätte. C'tis, dies ist wirklich nicht der richtige Augenblick für Selbstzweifel.« B'van grinste, als er ihr erstauntes Gesicht sah. »Ich bin auch ein großer Fan von dir«, fügte er hinzu. »Aber das weißt du ja schon.«
»Hör auf damit!« sagte sie. »Du gibst mir das Gefühl, ich wäre ...«
»Wunderbar?« schlug er vor.
Sie sah ihn einen Augenblick lang unsicher an, dann platzte sie heraus vor Lachen.
»So kann man es auch sagen«, gab sie zu.
»Das Gefühl solltest du nutzen«, riet er ihr. »Um ihm zu helfen. Du bist Heilerin - und die beste, die wir haben. Ich habe selber genug zu tun!« Er grinste und ließ sie stehen.
C'tis war wieder alleine mit dem Fremden, der fest auf dem hastig zusammengezimmerten Bett schlief. Sein Atem ging gleichmäßig und tief. Nach den Unbilden der Reise war Ruhe wichtiger für ihn als alles andere. C'tis nutzte die Ruhe des Augenblicks und untersuchte ihre Umgebung.
Der einzige Eingang zur Flüstergalerie war ein schmaler, gewundener Tunnel. Das bedeutete, dass man unmöglich hinaussehen, allerdings auch nicht hineinsehen konnte. Obwohl der Boden halbwegs eben war, ragten an ein paar Stellen Felsvorsprünge aus dem stahlharten Stein mit dem Namen Nachtgift hervor. Die Wände waren unregelmäßig und mit einem ineinander verschlungenen Muster aus dunklen Farben bedeckt. C'tis betrachtete diese Muster und wunderte sich über die enormen Kräfte, die die Erde auf diese Weise verformt hatten. Eine solche Energie konnte sie und ihre ganze Rasse mit Leichtigkeit zerquetschen, und sie schauderte bei dem Gedanken.
Und doch war es die Höhlendecke, die die Flüstergalerie zu einem einzigartigen und ehrfurchtgebietenden Ort machte. Auch sie war vielgestaltig, wies viele unterschiedliche Farben und Oberflächenstrukturen auf, doch insgesamt war ihre Form so perfekt, dass sie fast so entworfen zu sein schien. Die Höhle war trocken, und es gab hier keine Stalaktiten. Die Decke war an den niedrigeren Stellen oval, erhob sich jedoch in elegantem Schwung bis hinauf zu einem kreisrunden Scheitelpunkt aus Diamantkristall. Von hier aus drangen gelegentlich die Flüsterer hervor, spielerische Lichtfetzen, die sich über die Gesetze der Natur hinwegsetzten und nach Belieben umherschossen und dabei mal dies, mal jenes beleuchteten. Beim Sprung von hier nach dort wechselten sie beliebig die Farbe. Ein feines Säuseln begleitete ihre Bewegungen, ein Flüstern, das manche für die Sprache des Steins selber hielten und das den magischen Lichtern ihren Namen gab.
Im Augenblick schwieg das Kristall und warf nur ein schwach orangefarbenes Licht. Nur die Propheten waren in der Lage, das Erscheinen der Flüsterer vorherzusagen - und selbst dann war ihr Auftritt selten und von kurzer Dauer. In den zwanzig Flusszyklen ihres Lebens hatte C'tis nur zwei kleinere Erscheinungen miterlebt. Noch nie war sie Zeuge eines großes Auftritts geworden. Der blieb gewöhnlich den Propheten Vorbehalten und hatte angeblich die Kraft, gesunde Männer in den Wahn zu treiben. Es hieß auch, er könne blind machen, wenn man nicht über den Schutz der schwarzen Augen verfügte.
C'tis blickte auf ihren Patienten herab, der genau unter dem kristallinen Scheitelpunkt der Kuppel lag.
»Die
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