Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Trasse von A'hi-nur

Die Trasse von A'hi-nur

Titel: Die Trasse von A'hi-nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
wäre dann ja wohl im Moment alles?« fragte ich die Versammlung.
    Inge meldete sich. »Wir sollten uns entscheiden, ob wir diese Arbeit hier übernehmen, und unseren Entschluß der Zentrale mitteilen. Ich bin dafür.«
    Die Zwillinge sahen sich an, nickten einander zu, und einer sagte: »Wir auch.«
    Nun blickten alle mich an. Ich war drauf und dran, ja zu sagen, tat es aber nicht, obwohl ich keinen Grund hätte angeben können für meine Zurückhaltung. Heute weiß ich: Mir fehlte die stillschweigende Übereinstimmung in der Arbeit, das Aufeinander-eingespielt-sein, das seit Achmeds Dazukommen gestört war, und ich sah damals noch nicht, daß das vor allem an mir lag.
    »Ich möchte für meinen Teil noch um Bedenkzeit bitten«, sagte ich. »Die Sache interessiert mich, aber… Na, wie gesagt.« Ich wandte mich an Achmed. »Sind Sie sehr enttäuscht?«
    »Ich werde nie enttäuscht sein, wenn sich jemand wichtige Entscheidungen gründlich überlegt!« antwortete er, und das war ja nun fast ein Lob; aber es machte mich auch nicht froher.
    Tatsächlich erschienen am nächsten Tag drei große Hubschrauber und brachten das bestellte Material. Nun begann für uns eine im Grunde einfache, aber unter diesen Verhältnissen unglaublich anstrengende Arbeit. Je zwei Mann hielten ein armstarkes, etwa zwanzig Meter langes Duritrohr an den Enden hoch, der eine unten auf dem Plateau, der andere oben, am Rande des Hanges. In dieses Rohr wurde von einem Kompressor der Verfestiger gedrückt und durch zwanzig Düsen auf den Sand aufgesprüht; nach dem Verdunsten des Lösungsmittels blieb eine Vernetzung der obersten Sandschicht zurück, die der normalen Verwehung durch leichten Wind widerstand. Ohne diese Maßnahme wäre das Plateau in kurzer Zeit wieder zugeweht. Gegen einen stärkeren Sturm allerdings würde diese leichte Befestigung nichts ausrichten können.
    Das schlimmste war, daß diese Arbeit wegen des Lösungsmittels unter Atemschutzmasken ausgeführt werden mußte, und das bei brennender Wüstensonne! Die Rohre waren auch nicht gerade leicht, sie wogen fast fünfzig Kilopond, wenn sie gefüllt waren. Die Zwillinge besprühten den einen Seitenhang, Achmed und ich den anderen, und Inge bediente die Kompressoren und die Zufuhr des Bodensprays. Eigentlich hatte sie statt Achmed mit ans Rohr gehen wollen, aber wir – er sowohl als auch ich – hatten das nicht zugelassen. Achmed hielt sich denn auch tapfer, obwohl ich merkte, daß es ihm nach seiner Krankheit noch schwerfiel.
    Gegen Mittag waren wir mit den Seitenhängen und auch mit unseren Kräften fertig. In den folgenden Tagen befestigten wir den Weg zum Plateau hinunter gründlich und tief genug, daß er auch Lasten tragen konnte, nahmen uns den großen, aufgesprengten Sandwall vor und bauten in der Hauptwindrichtung eine fünf Meter hohe Sperre aus Duritrohren und Folie gegen den Treibsand.
    Aber erst nachdem wir auch den Sandboden um das Lager herum und vor den Seitenhängen leicht verfestigt hatten, hörte der Zufluß von Treibsand zum Plateau hinunter auf, und wir konnten beginnen, mit den Exhaustern wie mit großen Staubsaugern die Sandschicht vom Plateau abzuziehen. Übrigens nannten wir es da schon nicht mehr Plateau, sondern – in Anlehnung an Baalbek – die Terrasse.
    Es dauerte alles in allem aber doch eine Woche, bis wir soweit waren, denn wir konnten nur vormittags arbeiten – von Mittag ab war die Hitze zu groß, und so schwere Arbeit wäre gesundheitsschädlich gewesen, und das nicht nur für den gerade Genesenen.
    An den Nachmittagen aber führte Achmed uns allmählich in seine Welt ein, fesselte uns, erzählte, Forschung und Phantasie verbindend, ohne aber jemals das eine für das andere auszugeben, von vorgeschichtlichen Zeiten. Ganz offensichtlich verfolgte er damit seine schon direkt ausgesprochene Linie, uns den Mund wäßrig zu machen, uns und vor allem mich an sich zu fesseln, uns für sein Fach zu begeistern. Und das gelang ihm auch. Er breitete vor uns eine neue, uns bis dahin unbekannte Welt aus. Hier war noch völliges Neuland, fast alles war noch unerforscht, die Welt war voller Hypothesen, die nur darauf warteten, bestätigt oder widerlegt zu werden.
    Es gelang ihm sogar so gut, daß die Zwillinge ihr Schachspiel vergaßen. Inge hing wie gebannt an seinem Munde, und auch ich hatte Mühe, kritische Distanz zu halten und in Gedanken abzuwägen, was er da erzählte oder aus seinen Büchern zitierte, und vielleicht- vielleicht wollte ich das nicht

Weitere Kostenlose Bücher