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Die Trasse von A'hi-nur

Die Trasse von A'hi-nur

Titel: Die Trasse von A'hi-nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Merkmal, das Inge in ihrer Behauptung bestärkte: Perspektive.
    »Nun laßt mal die Kunstgeschichte«, schloß Achmed die Diskussion über diesen Gegenstand. »Fällt euch sonst nichts auf an diesen Bildern?«
    Inge hatte uns mit ihrer kunsthistorischen Betrachtungsweise so intensiv beschäftigt, daß wir noch gar nicht nachgedacht hatten über das, was dargestellt war, sondern nur über das Wie. Ich muß aber zu unserer Entschuldigung sagen: Es ist ja wohl auch nicht ganz einfach für einen in der Kunstbetrachtung wenig geschulten Menschen, solchen Argumenten zu folgen, oder gar, sich ein Urteil über ihre Richtigkeit zu bilden.
    Den Zwillingen schien es genau wie mir zu gehen, nur machten sie es sich einfacher, sie zogen sich hinter ihr Schachbrett zurück. Ich dagegen hielt mich für verpflichtet, noch darüber nachzugrübeln. Na gut, ich gebe zu, es reizte mich auch. Achmed machte einen so provozierend wissenden Eindruck, daß ich vor diesen Bildern lieber Wurzeln geschlagen hätte, als davonzugehen, ohne draufgekommen zu sein, was er meinte.
    Ich habe die Erfahrung gemacht, daß es in solchen Fällen immer gut ist, sich ganz naive Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Wozu soll denn das gut sein? Die kommen also hier ‘rein, um ihre Leute zu begraben, und dabei gucken sie sich die Bilder an. Aha – vielleicht haben sie sich so den Himmel vorgestellt? Offenbar waren das doch Ackerbauern. Die Indianer, die Jäger waren, hatten ja auch als Himmel die Ewigen Jagdgründe, wenn uns die alten Abenteuerschriftsteller nicht beschwindelt haben.
    Aber nein, das war’s wohl nicht. In den Grabkammern gab es ja Herren und Sklaven, also werden sie sich doch ihren Himmel nicht so eingerichtet haben, daß da alle arbeiten. So ein Himmel hätte den Herren wohl kaum geschmeckt und den Sklaven erst recht nicht. Also nichts mit Himmel, lassen wir ihn mal weg. Dann bleibt: Die Grabkammern zeigen Sklaverei und die Wände so etwas wie eine idealisierte urkommunistische Gesellschaft – ja, so kann man das wohl nennen, denn die eine Seite stellt doch das gemeinsame Produzieren und die andere Seite das gemeinsame Konsumieren dar.
    So ungefähr erklärte ich auch den anderen, was mir aufgefallen war. Achmed nickte, genau das hatte er gemeint. Auch Inge stimmte diesen Überlegungen vorbehaltlos zu.
    Die Widersprüchlichkeit dieser Dinge erboste mich ein bißchen, vor allem wohl, weil ich ihr hilflos gegenüberstand. Ich war eben doch kein Wissenschaftler, ich meine, kein wissenschaftlich eingestellter Mensch. Denn wem es ums Forschen zu tun ist, der muß bei solchen Widersprüchen geradezu einen Freudentanz aufführen; gerade wenn scheinbar nichts mehr zusammenpaßt und übereinstimmt, kann man mit Sicherheit eine Entdeckung erwarten, und Achmed sah mir ganz so aus, als erwartete er nicht nur eine, sondern als hätte er sie schon gemacht. Nur warum er damit hinter dem Berge hielt, verstand ich nicht.
    Richtig verrückt wurde es aber erst am nächsten Tag, als wir die Ergebnisse der Analysen erhielten, die wir in Auftrag gegeben hatten. Das war nun geradezu absurd: Die Radiokarbonanalysen gaben bei der Sandprobe, die wir dem Eingang des Stollens entnommen hatten, 8000 Jahre als Alter an und bei der Probe, die vom inneren Ende des Stollens stammte, ungefähr 1500 Jahre!
    Das war ja nun schon ein toller Unfug. Der Sand, der innen lag, konnte doch nicht sechseinhalbtausend Jahre nach dem anderen Sand, der den Stollen vorn füllte, da hineingeraten sein!
    Aber auch das schien Achmed nicht zu erschüttern. Während ich empört schimpfte und den unbekannten Radiochemikern, die die Proben analysiert hatten, Schluderei vorwarf, stutzte er nur und dachte dann angestrengt nach. Immerhin besänftigte es mich wenigstens, daß er nicht wieder gleich alles zu wissen schien.
    Ich überließ ihn seinen Gedanken und brachte mit einer Art grimmiger Freude der Übersicht halber mal alles zu Papier, was wir an völlig widersprechenden Fakten bereits gesammelt hatten; und das sah – einschließlich mancher Dinge, die mir jetzt erst auffielen – so aus:
    Alter gemäß Sternhimmeldarstellung – 10000 bis 15000 Jahre
    Alter gemäß Sand am Eingang – 8000 Jahre
    Alter gemäß Sand im Innern – 1500 Jahre
    Gesellschaft gemäß Grabkammern – Sklaverei
    Gesellschaft gemäß Abbildungsgehalt – vor Sklaverei
    Gesellschaft gemäß Abbildungsform – nach Sklaverei
    Arbeitsaufwand für Terrasse und Stollen – frühestens Sklaverei
    Präzision der Herstellung –

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