Die Traumfängerin - Roberts, N: Traumfängerin
„Aber Clarissas, zumindest während wir zusammen arbeiten. Gib ihr mehr Freiraum, A. J.“
Sie wusste, dass er recht hatte, und ihr Widerstand zerbrach. „Du verstehst das nicht“, machte sie einen letzten Versuch.
„Dann erkläre es mir.“
„Stell dir vor, Alex lädt sie nur ein, um sie auszuhorchen. Vielleicht will er nur ihre Schwachstellen finden.“
„Vielleicht will er nur einen netten Abend mit einer interessanten und gut aussehenden Frau verbringen“, wandte er ein. „Du solltest Clarissa mehr zutrauen.“
Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Ich will nicht, dass sie ver letzt wird.“
Er ahnte, dass es keinen Sinn hatte, weiter mit ihr zu diskutieren. „Lass uns losfahren.“
„Was?“
„Wir fahren. Du und ich.“ Er lachte verschmitzt. „Schließlich ist es mein Auto, das du gerade verbeulst.“
„Oh, entschuldige.“ Sie trat einen Schritt vor. „Aber ich muss zurück ins Büro. Dort wartet noch ein Haufen Arbeit auf mich, schließlich bin ich heute zu nichts gekommen.“
„Das hat Zeit bis morgen.“ David nahm den Autoschlüssel aus der Tasche und öffnete den Wagen. „Ich würde gern ein bisschen am Meer entlangfahren.“
Sie wusste, dass auch ihr ein wenig Entspannung guttun würde. Keine Frage – sie hatte völlig überreagiert. Etwas frische Luft, um den Kopf wieder freizubekommen, konnte nicht schaden. Aber sollte sie wirklich mit ihm … „Wollen wir offen fahren?“
„Natürlich.“ Schon versenkte er das Verdeck seines Cabrios.
Der Fahrtwind zauste ihr Haar, die Luft schmeckte nach Meerwasser, im Radio erklang leise Musik. David fuhr schweigend, er versuchte nicht, sie in ein Gespräch zu verwickeln. A. J. spürte, wie sie entspannte. Ein Luxus, den sie sich nur selten in Gesellschaft anderer erlaubte.
Wie lange war es her, seit sie einfach an der Küste entlanggefahren war, ohne Ziel, ohne Zeitdruck? Sie konnte sich nicht erinnern. Also auf jeden Fall zu lange, gab sie insgeheim zu. Plötzlich fühlte sie sich sorglos und unbeschwert, schloss die Augen und genoss die Fahrt.
Verstohlen betrachtete David sie von der Seite und bemerkte, wie sie nach und nach ausgeglichener wurde. Wie war die se Frau wirklich? War sie die kühle, zielstrebigeAgentin, der nichts wichtiger war, als auch noch die letzten zehn Prozent für ihre Klienten aus einem Vertrag herauszuholen? Die einerseits mit ihren Vertragspartnern bis zum letzten Cent feilschte und sich andererseits beschwerte, ihre Klienten würden ausgebeutet? War sie die schützende, liebevolle Tochter, weich, warmherzig und ständig um das Wohl ihrer Mutter bemüht? Er wusste es nicht. Sie war unglaublich schwer zu durchschauen.
Dabei verfügte er eigentlich über eine ausgesprochen gute Menschenkenntnis. Ansonsten hätte er es in seiner Branche niemals so weit gebracht. Bei ihrem ersten Kuss war er davon ausgegangen, eine selbstbewusste, geschäftstüchtige Frau vor sich zu haben. Stattdessen war sie ihm unsicher und verletzlich erschienen. Spielte sie nur die Rolle der unbeirrbaren Geschäftsfrau? Was steckte unter der harten Schale? Er würde alles dafür geben, es herauszufinden.
„Hast du Hunger?“
Verträumt öffnete A. J. die Augen und sah ihn an. Es war erstaunlich, dass ihm die Ähnlichkeit mit Clarissa nicht sofort aufgefallen war. Sie hatten genau die gleichen Augen. Das intensive Blau, der scharfe Blick, die Tiefe. Vielleicht hat sie auch in anderer Hinsicht einiges von Clarissa geerbt, dachte er kurz, doch dann verwarf er den Gedanken sofort wieder.
„Entschuldige“, murmelte sie, „ich habe dir nicht zugehört.“ Stattdessen hatte sie die ganze Zeit an ihn gedacht. Minutiös hätte sie sein scharf geschnittenes Profil beschreiben können, von den hohen Wangenknochen bis zu dem kleinen Grübchen im Kinn. Tief durchatmend riss sie sich zusammen. Eine kluge Frau hatte ihre Gedanken stets unter Kontrolle, ebenso wie ihre Gefühle.
„Ich hatte gefragt, ob du hungrig bist“, wiederholte er lächelnd.
„Und wie!“ Sie reckte sich. „Wo sind wir gerade?“
Noch nicht weit genug. Der Gedanke schoss ihm unbewusst durch den Kopf. Längst noch nicht weit genug. „Wir sind ungefähr zwanzig Meilen gefahren.“ Vor ihnen lag links ein kleines Restaurant, nur wenige Schritte weiter wies rechts ein Schild auf einen Hamburger-Stand am Straßenrand hin. David ging vom Gas. „Wo soll ich anhalten? Du hast die Wahl.“
„Ein Burger mit Blick aufs Meer“, entschied sie.
„Die
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