Die Traumfängerin - Roberts, N: Traumfängerin
zögerte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küss te ihn.
Er hätte schwören können, dass der Sand unter seinen Füßen nachgab. Und ganz ohne Zweifel schwoll das Tosen der Brandung an, brachen sich die Wellen lauter am Strand als zuvor. Ursprünglich hatte er mit kühlem Kopf ausprobieren wollen, wie weit er bei A. J. gehen konnte. Doch als ihre Lippen sich sanft auf seinen Mund legten, machte die intensive Berührung jeden ausgeklügelten Plan zunichte. Ihre Lippen waren kühl und heiß zugleich, ihr Kuss schmeckte süß und im nächsten Augenblick scharf. Konnte er seinen Sinnen nicht mehr trauen? Er musste es ausprobieren. Schon tauchte er ein in die Liebkosungen ihres Mundes, erwiderte ihren Kuss und riss sie in seinem Verlangen mit sich.
Zu schnell. Panik ergriff sie. Es ging alles viel zu schnell. Doch ihr Körper ignorierte die Warnung. Ohne nachzudenken, presste sie sich an ihn. Sie wollte ihn, und dieses Begehren war stärker als alles, was sie jemals zuvor empfunden hatte. Wie ein Schlag traf sie die Sehnsucht vollkommen unvermittelt. Aufstöhnend fuhr sie mit den Fingern durch sein volles Haar. Es war nicht richtig. Sie musste damit aufhören. Doch ihr Gefühl sagte etwas ganz anderes.
Kreischend flog eine Möwe über sie hinweg, aber sie nahmen sie nicht wahr.
Als sie sich endlich voneinander lösten, trat A. J. einen Schritt zurück. Sie fröstelte, doch nach der unerträglichen Hitze, die ihren Körper zuvor erfasst hatte, empfand sie die kühle Luft beinahe als angenehm. Wortlos wollte sie sich abwenden, doch er hielt sie zurück.
„Begleite mich nach Hause.“
Verwirrt sah sie ihn an. Die unverhohlene Leidenschaft ließ seine Augen dunkler wirken. Seine Stimme klang rauund leidenschaftlich. Und A. J. fühlte … Nein. Es durfte nicht sein. Wenn sie mit ihm ging, würde sie sich in ihm verlieren.
„David, ich möchte das nicht.“ Ihre Stimme zitterte, doch der Ton war endgültig.
„Ich habe das auch nicht geplant.“ Abrupt ließ er die Hände sinken. Tatsächlich hatte er nicht so weit gehen wollen. Niemals hatte er sich vorgestellt, dass die Gefühle ihn so übermannen würden. „Aber ich glaube nicht, dass das jetzt noch wichtig ist.“
„Wir allein entscheiden darüber, was wir tun möchten und was nicht.“ Entschlossen straffte sie sich und blickte aufs Meer. Der Wind spielte in ihrem Haar und wehte es zurück, sodass ihr Gesicht klar und schutzlos vor ihm lag.
„Manchmal verändert sich das, was wir wollen.“ Warum widersprach er ihr? Schließlich sagte sie genau das, was auch er dachte.
„Nur wenn wir es zulassen.“
„Und wenn ich sage, dass ich dich begehre? Dass ich diesen Abend mit dir verbringen möchte?“
Ihre Kehle war wie zugeschnürt, der Puls raste. Sie war nicht sicher, ob sie fähig war, überhaupt noch etwas zu erwidern. „Dann würde ich antworten, dass du einen großen Fehler machst. Du hattest recht, David: Ich bin nicht dein Typ. Man sollte sich immer auf sein erstes Gefühl verlassen, das trügt nicht.“
„In diesem Fall bin ich nicht sicher. Ich brauche viel mehr Informationen.“
„Lass uns fahren“, bat sie, ohne auf seinen Einwand einzugehen. „Ich möchte nach Hause und Clarissa anrufen, um zu hören, ob sie gut angekommen ist.“
Ein letztes Mal nahm er ihren Arm. „Du wirst sie nichtfür den Rest deines Lebens als Alibi benutzen können, Aurora.“
Ihr Blick war kühl und unnahbar. „Ich benutze sie nicht“, betonte sie. „Das ist ein entscheidender Unterschied zwischen uns beiden.“
Damit ging sie anmutig durch den Sand zur Straße hinauf, ohne sich noch ein mal umzusehen.
4. KAPITEL
D as Mond licht tauchte den Raum in einen silbrigen Schimmer. Ein leichter Luftzug trug ganz schwach den Duft von Hyazinthen mit sich. Von weit her kam das stete Rauschen von Wasser. Vor dem Fenster wiegten sich die Zweige einer Eiche anmutig im Wind und ließen ihre Schatten auf den breiten Holzdielen tanzen. Im Halbdunkel schien das großformatige Gemälde aus roten und violetten Linien auf weißer Leinwand Funken zu sprühen, es strahlte eine unbändige Energie aus, Spannung und Leidenschaft.
An der weiß getünchten Wand lehnte ein riesiger Spiegel, in dem A. J. sich nur schemenhaft erkannte, als sei sie ein Wesen aus einer anderen Welt, das nicht hierhergehörte. Fast schien es, als könne sie einfach in das matte Glas eintauchen und verschwinden. Sie erschauerte. Irgendetwas machte ihr Angst, doch sie konnte sich dieses Gefühl
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