Die Traumfängerin - Roberts, N: Traumfängerin
nicht erklären; es war ebenso nebulös wie ihr eigenes Spiegelbild. Instinktiv beschloss sie zu fliehen, ehe die Bedrohung Wirklichkeit wurde. Doch als sie sich umwandte, blockierte jemand ihren Weg.
Zwischen ihr und der rettenden Tür stand David und legte ihr fürsorglich die Hände auf die Schultern. Als sie ihn ansah, entdeckte sie den Ausdruck von Ungeduld in seinen dunklen Augen. Verlangen – ihres oder seines? – schien die Luft zu erfüllen und machte das Atmen zur Qual.
Ich will das nicht. Hatte sie es laut gerufen oder nur stumm gedacht? Sie musste es gesagt haben, denn er antwortete ihr, kurz und verzweifelt.
„Du kannst nicht davonlaufen, Aurora. Nicht vor mir, besonders aber nicht vor dir selber.“
Und plötzlich glitt sie in einen tiefen, dunklen Tunnel, an dessen Ende sie ein Licht sah. Nein, kein Licht. Es war Feuer, und in Sekundenschnelle brannte es um sie herum lichterloh.
Mit einem Schrei des Entsetzens erwachte A. J., atemlos und zitternd. Irritiert sah sie sich um. Durch die Vorhänge fielen die ersten zaghaften Strahlen der Morgensonne. Erleichtert strich sie sich das Haar aus dem Gesicht. Sie war in ihrem eigenen Schlafzimmer, allein. Kein Hyazinthenduft, keine Schatten, kein verstörendes Gemälde.
Es war nur ein Traum, stellte sie aufatmend fest. Allerdings ein sehr intensiver. Ihr war, als könne sie noch immer Davids Hände auf ihren Schultern spüren, und auch das Gefühl der Angst, gemischt mit einer unerklärlichen Erregung, verblasste nur langsam. Wie konnte sie nur von David Brady träumen!
Dafür gab es durchaus eine logische Erklärung. Schließlich hatte sie regelmäßig mit ihm in Kontakt gestanden, um die Verträge für Clarissa auszuhandeln. Und sie hatte viel und hart gearbeitet in der letzten Zeit, kein Wunder also, dass sie unruhig schlief. Die einzige Entspannung seit Wochen war jener Abend mit David am Strand gewesen.
Doch genau daran wollte sie nicht denken. Zwanghaft versuchte sie, die Erinnerung daran, was sie beinahe getan hätten, auszublenden. Es war weitaus besser, sich auf anstehende Termine, Aufträge und fällige Rechnungen zu konzentrieren.
Obwohl es noch nicht einmal sechs Uhr war, beschloss A. J. aufzustehen. Nach diesem aufwühlenden Traum würde sie sowieso nicht wieder einschlafen. Ein starker Kaffee und eine kalte Dusche würden ihre Lebensgeister wecken. Sie hatte viel zu viel zu tun, um ihre Zeit mit derGrübelei über einen Traum zu verschwenden.
Gähnend ging A. J. die zwei Stufen hinunter, die ihren Wohnraum von der Küche trennten. Sie war eher funktional als gemütlich. Die Fronten und Arbeitsflächen glänzten makellos – zum einen, weil sie eine fleißige und zuverlässige Haushälterin engagiert hatte, zum anderen, weil sie ihre Küche kaum benutzte. Das einzige Gerät, das sie hier regelmäßig bediente, war die Kaffeemaschine.
Mechanisch füllte A. J. Wasser auf, gab Kaffeepulver in den Filter und stellte die Maschine an. Als sie eine Viertelstunde später aus der Dusche trat, erfüllte der Duft frisch gebrühten Kaffees die Wohnung. Schon fühlte sie sich besser. Voller Tatendrang nahm sie einen Schluck der dampfenden, belebenden Flüssigkeit und spürte, wie die Müdigkeit nachließ. Wenn sie schon eine Stunde früher aufgewacht war als üblich, würde sie die Zeit nutzen und ins Büro fahren. Etwas so Albernes wie ein Traum würde sie ganz sicher nicht aus der Bahn werfen. Wie jeden Morgen löste sie eine Vitamintablette in Wasser auf, beobachtete, wie sie sprudelnd und zischend immer kleiner wurde, und leerte das Glas in einem Zug. Dann nahm sie ihre Kaffeetasse mit ins Schlafzimmer und überlegte, was sie anziehen sollte. Dabei ging sie in Gedanken ihren Terminkalender für den heutigen Tag durch.
Zum Brunch war sie mit einem sehr erfolgreichen, aber auch überaus reizbaren Klienten verabredet, der als Starbesetzung für eine Serie zur besten Sendezeit gehandelt wurde. Es kann nicht schaden, sich vor dem Treffen das Drehbuch für die erste Folge noch einmal anzusehen, überlegte A. J. Nach dem Essen war eine Konferenz mit allen Mitarbeitern in ihrem Büro anberaumt. Später traf sie sich mit Bob Hope well, der einen neuen Dokumentarfilmplante und dafür noch Sprecher suchte. A. J. hatte zwei Klienten, die vermutlich genau Hopewells Vorstellungen entsprachen.
All diese Termine verlangten nach einer klassischeleganten Garderobe. Ohne lange nachzudenken, entschied sich A. J. für ein schmal geschnittenes Kostüm aus
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